Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
treffen wollte, als mir auffiel, wie nahe ich an dem versteckten Zulauf des schwarzen Waldsees war. Eine Gänsehaut lief mir bei dem Gedanken über die Arme. Seit meinem letzten Besuch hatte ich diese Ecke des Sandsjön gemieden. Warum musste sich Kjell auch gerade an dieser Stelle mit mir verabreden, fragte ich mich nervös. Vermutlich lag auf dieser Seite des Sandsjön der Pfad, den wir nehmen mussten, um die Fischadler zu beobachten. Dennoch fühlte ich mich plötzlich sehr unwohl. Ich atmete tief durch und versuchte, mich zu beruhigen. Ich musste nur noch ungefähr vierzig Schläge rudern, um den verwitterten Holzsteg zu erreichen. Dabei kam ich genau an dem schattigen Durchlass vorbei. Ich vermied es, in die Richtung zu sehen und beschleunigte meine Ruderschläge. Trotzdem hatte ich das Gefühl immer langsamer zu werden. Die Luft roch intensiv nach Moor. ›Komm schon, Sofie‹, redete ich mir laut Mut zu. ›Es ist nur noch ein kurzes Stück bis zum Steg.‹ Ich legte mich in die Riemen.
Aus den Augenwinkeln glaubte ich eine Bewegung wahrzunehmen. Mein Kopf drehte sich wie mechanisch.. Bei den Seerosen entdeckte ich etwas. Ich hielt inne. Eine Hand ragte aus dem dunklen Wasser. Jetzt versank die Hand langsam immer tiefer. Ob dort gerade ein Mensch ertrank? ›Ich muss ihm helfen‹, war mein erster Gedanke, doch ich saß stocksteif im Boot, unfähig auch nur einen Finger zu rühren. Die Hand war fast im See versunken, als sie mir plötzlich zuwinkte. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Nun konnte ich ganz deutlich erkennen, wie die Hand mich zu sich heran winkte. Panik stieg in mir auf. Ich kniff die Augen zu. Ich träume, versuchte ich mir einzureden. Es konnte nur ein böser Traum sein. Als ich die Augen wieder öffnete, war die Hand verschwunden. Das Ruderboot trieb langsam und unaufhörlich auf die Seerosen zu. Ich legte die Riemen ins Boot und starrte auf die Wasseroberfläche. Obwohl das Wasser des Sees glasklar war, konnte ich nur etwa einen halben Meter hinabsehen. Die dicken Stiele der Seerosen wurden von einer undurchdringlichen Finsternis verschluckt. War da etwas unter der Wasseroberfläche? Ich riss gebannt die Augen auf und beugte mich über den Rand des Bootes, um etwas zu erkennen. Es schien mir, als hätte ich mich schon einmal so über den Bootsrand gelehnt und in die pechschwarze Tiefe gestarrt. Aber ich konnte mich nicht erinnern. Dieser moorige Geruch nahm mir die Luft zum Atmen und benebelte mir die Sinne. Irgendwo in meinem Inneren warnte mich eine Stimme: Doch ich konnte mich nicht aus meiner Starre lösen. Immer weiter beugte ich mich hinab. Fast berührte meine Nasenspitze die Wasseroberfläche. Plötzlich schien sich etwas unter der Oberfläche zu regen. Ich fühlte ein starkes Verlangen meinen Kopf unter Wasser zu tauchen, als mich eine laute Stimme aufschrecken ließ.
»Hej, was machst du da? Willst du ins Wasser fallen?«, rief Kjell zu mir herüber. Er war aus dem dichten Wald getreten und stand in einiger Entfernung auf dem Bootssteg. Kjell wirkte ärgerlich.
Ich schüttelte mich kurz und der Bann fiel von mir ab.
»Unsinn, ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen. Wahrscheinlich war es ein großer Hecht.«
Hastig griff ich nach den Riemen und ruderte weiter auf den Steg zu. Noch einmal blickte ich kurz zurück. Das Wasser war ruhig und keine Bewegung war mehr zu entdecken. Die Sonne glitzerte auf der Oberfläche und nichts Unheimliches war zu erkennen.
›Ich fange an zu spinnen‹, dachte ich. ›Es gibt überhaupt nichts bei den Seerosen, das ich fürchten müsste. Das kommt alles von meinen Alpträumen und Erinnerungen. Ich bin einfach überspannt.‹
Beim Bootssteg angekommen, band ich das Boot fest und kletterte umständlich auf den Holzsteg. Kjell beobachtete mich aufmerksam. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und machte keine Anstalten, mir beim Aussteigen behilflich zu sein.
Etwas Dunkles lag in seinem Blick. »Du bist spät!« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Ich war verwirrt. Unwillkürlich blicke ich auf meine Armbanduhr. Wie lange hatte ich auf das Wasser gestarrt?
Während ich Kjell den Pfad entlang folgte, grübelte ich immer noch darüber nach, wieso ich über eine viertel Stunde auf das Wasser gestarrt hatte. Mir war es nur wie wenige Sekunden vorgekommen. Bei der Erinnerung an die Hand, die mir von den Seerosen aus zu gewinkt hatte, fröstelte es mich. Ich versuchte mir einzureden, dass ich mir die Hand nur eingebildet hatte, aber es war
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