Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
Vom Netzwerk:
her, und sie musste auch ohne die regierungsamtliche Autorität Karl-Heinz Köpckes auskommen, aber das machte die große Leinwand allemal wett, und die Sprecher hatten immer so ein Tremolo in der Stimme, das noch die läppischsten Beiträge hoch dramatisch machte.
    Beim Besuch des amerikanischen Präsidenten Kennedy in Persien wurde die Delegation der westlichen Führungsmacht vom Schah von Persien, dem Herrscher auf dem Pfauenthron, und seiner schönen und charmanten Frau Farah Diba empfangen. Meine Mutter fand es übrigens betrüblich bis skandalös, dass sich der Schah von Soraya hatte scheiden lassen, nur weil sie keine Kinder gekriegt hatte, räumte aber ein, dass auch Farah Diba betörend schön sei. Allerdings sei Jacqueline Kennedy auch sehr schön und elegant. Hatte Soraya nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Clarissa? Nur dass Clarissa natürlich viel jünger war. Wie alt mochte sie sein? So alt wie ich? Womöglich etwas älter? Kennedy ging es aber natürlich nicht in erster Linie um Soraya oder Farah, sondern um die Entsendung amerikanischer Militärberater, die in Persien eine Armee nach westlichem Vorbild aufbauen sollten, um – jetzt verwandelte sich das bebende Tremolo des Sprechers in kernige Entschlossenheit – den Expansionsgelüsten Sowjetrusslands auch im fernen Morgenland Einhalt zu gebieten.
    Wie bitter notwendig die Entschlossenheit Amerikas war, zeigte der nächste Beitrag. Man sah Menschen, die an der Berliner Mauer Blumen niederlegten, weil bei einem Fluchtversuch schon wieder jemand erschossen worden war. Das menschenverachtende Unrechtsregime, raunte düster der Sprecher, gehe über Leichen, aber der Westen – jetzt sah man Bilder amerikanischer Panzer – sei auf der Hut.
    Um die Stimmung wieder zu heben, folgte Neues aus der Welt des Sports. Die deutsche Fußballnationalmannschaft, deutsch hieß natürlich westdeutsch, gewann ihr letztes Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Chile. Helmut Haller flankte auf Uwe Seeler, und der Dicke traf zum eins zu null. Trotz tapferer Gegenwehr der wackeren Hellenen schoss Seeler auch das zwei zu null, ein Bombentreffer, weshalb der Sprecher in munterem Schmunzelton den unwiderstehlich bombenden Seeler zur Seele des deutschen Spiels ernannte.
    Ich schielte zu Clarissa, ob sie wohl das geniale Wortspiel verstanden hätte, aber sie beugte sich gerade zu Enzo und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Fußball war offenbar nicht ihre Leidenschaft, obwohl die Italiener ja tolle Fußballer waren. Hoch bezahlte Vollprofis. Nebenbei wurde mit deutlich hörbarer Genugtuung gemeldet, dass die Mannschaft der sogenannten DDR wie zur Strafe für die Schandtaten ihres Regimes ihr Spiel gegen Holland kampflos verloren habe. Den Zonenkickern, so der Sprecher mit triefender Häme, sei die Einreise ins Königreich der Niederlande wegen ungültiger Visa verweigert worden.
    Zum Schluss gab es einen Abstecher nach Stockholm, wo der schwedische König den Nobelpreis für Physik überreichte, und zwar einem deutschen Mann der Wissenschaften. Der große, dennoch stets bescheidene Forscher namens Mößbauer hatte sich um feinste Energiedifferenz- und Frequenzmessungen bei der Erforschung des M-Effekts verdient gemacht und damit das wachsende Ansehen Deutschlands in der Welt gesteigert. Bundeskanzler Adenauer gratulierte per Fernschreiben.
    Von Energiedifferenzen und Frequenzmessungen hatte ich keine Ahnung; im Physikunterricht war derlei jedenfalls noch nicht vorgekommen. Aber ich spürte meine Herzfrequenz rasen, als Enzo mir noch einmal seine Tüte anreichte und ich beim Zugreifen gar nicht anders konnte, als mit dem Ellbogen Clarissas Busen zu berühren. Hatte Clarissa ihrem Bruder womöglich zugeflüstert, mir Gummibärchen anzubieten, damit diese Berührung unvermeidbar wurde? Wenn ja, dann wäre sie ein – wie nannte man so etwas? Ein steiler Zahn? Ein Luder?
    Nach der Wochenschau ging die Saalbeleuchtung für einen Moment an, und ich starrte bemüht gelangweilt zur Decke. Erst als zum Klang des Doppelgongs das Licht wieder verdämmerte, schielte ich nach rechts. Was für eine feine, grade Nase, was für sanfte Wimpern. Mit der Zungenspitze leckte sie sich Mundwinkel und Oberlippe. Unwillkürlich tat ich das Gleiche. Gummibärchengeschmack.
    Pongo ist ein Dalmatiner mit Herrchen, Perdi eine Dalmatinerin mit Frauchen. Beim Gassigehen lernen sie sich kennen. Weil Pongo sich in Perdi verliebt, sorgt er dafür, dass sich auch sein Herrchen in Perdis

Weitere Kostenlose Bücher