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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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Mandoline.«
    Das war natürlich sehr italienisch.
    »Und Papa spielt Gitarre«, sagte Enzo. »Manchmal spielen sie zusammen. Das klingt schön.«
    »Gitarre würde ich auch gern spielen«, sagte ich. Das stimmte.
    »Kann Papa dir ja beibringen«, sagte Enzo.
    Clarissa lachte.
    »Meinst du wirklich?«, sagte ich.
    »Klar«, sagte Enzo.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Clarissa. »Papa hat so wenig Zeit. Er verbringt den ganzen Tag damit, den Laden für die Eisdiele zu renovieren.«
    »Macht er fast ganz allein. Papa kann alles«, sagte Enzo stolz.
    »Tja dann –«, sagte ich.
    »Ja«, sagte sie. Es klang traurig.
    Und dann schwiegen wir wieder im dichter fallenden Schnee, bis wir zu Hause ankamen. Wir standen unter der Straßenlaterne zwischen dem Schandfleck und unserem Haus. Die Laterne galt auch als eine Art Grenzmarkierung zwischen den Grundstücken. Was jetzt? Sie umarmen? Ein Kuss auf Stirn und Wimpern? Ich zitterte. Sie gab mir die Hand. Ihre Hand war kalt, und ich hätte sie gern so lange festgehalten, bis sie warm geworden wäre, aber meine Hand war genauso kalt.
    Enzo lief schon auf den Eingang zu und rief: »Tschüs Markus!«
    »Ja, tschüs«, sagte ich, während sie mir ihre Hand entzog.
    Sie sah mir in die Augen, sagte »ciao«, drehte sich um und folgte ihrem Bruder. Die Haustür öffnete sich. Ich sah ihren Vater als dunkle Silhouette vor dem Lichtschein, der durch den Schnee fiel.

    Als ich mir im Hausflur den Schnee aus den Schuhsohlen trat, öffnete Oma ihre Wohnungstür. »Markus«, sagte sie streng, »ich habe alles genau gesehen.«
    »Was denn?«
    »Du weißt, was ich meine. Gib dich nicht mit diesem Gesindel ab. Das gehört sich nicht.« Dabei sah sie wie eine greise Cruella de Vil aus, auch wenn sie keine Zigarettenspitze im Mund hatte und keine Pelzstola trug, sondern den wattierten, geblümten Bademantel. »Hast du mich verstanden?«
    Ich nickte, dachte »alte Hexe« und ging wortlos an ihr vorbei nach oben.
    Beim Abendessen fragte mich Hanna, wie mir Die glorreichen Sieben gefallen hätte.
    »Schon klasse«, sagte ich.
    »Das ist alles?«
    »Ganz toll.«
    »Was ist denn mit dir los?«, sagte sie.
    »Ach, lass den Jungen in Frieden«, sagte meine Mutter. »Das ist so sein schwieriges Alter.«
    Das angeblich schwierige Alter hing mir zwar längst zu den Ohren raus, aber diesmal war ich meiner Mutter irgendwie dankbar dafür. In meinem Zimmer blätterte ich auf der Suche nach irgendetwas italienisch Klingendem durch meine Schallplattenalben und stieß auf Rocco Granata. Marina. Hatte Hanna mir geschenkt, weil sie »die Schnulze nicht mehr hören konnte«. Für geschenkt hatte ich der Scheibe Asyl gewährt. Ich legte sie auf den Plattenteller. Der Tonarm ruckte und zuckte, die Nadel knisterte auf der Anfangsrille.
Bei Tag und Nacht denk ich an dich, Marina,
du kleine, zauberhafte Ballerina,
o wärst du mein, du süße Caramia,
aber du, du gehst ganz kalt an mir vorbei.
    Wieso Schnulze? Das war doch die Wahrheit. Als ob das Lied für sie und mich geschrieben worden wäre. Caramia Clarissa, so kalt an mir vorbeigegangen, aber nicht ganz hoffnungslos.
Doch eines Tages traf ich sie im Mondschein,
ich lud sie ein zu einem Glase Rotwein,
und wie ich fragte, Liebling, willst du mein sein?
Gab sie mir einen Kuss und das hieß: Ja!
    Zum Rotwein würde ich sie beim nächsten Mal einladen, nach den Glorreichen Sieben. Wenn man uns Rotwein denn ausschenken würde. Und dann der Kuss und das Ja wie bei Frauchen und Herrchen aus Pongo und Perdi. Der Blick, mit dem sie mich angesehen hatte, war ja schon wie ein Kuss gewesen. Wie tausend Küsse.
Marina, Marina, Marina,
dein Chic und dein Charme, der gefällt.
Marina, Marina, Marina,
du bist ja die Schönste der Welt.
Wunderbares Mädchen, bald sind wir ein Pärchen,
komm und lass mich nie alleine, oh nononono no.
Wunderbares Mädchen, bald sind wir ein Pärchen,
komm und lass mich nie alleine, oh nononono no.
    Oh nononono no rotierte in meinem Kopf wie die Wilde Maus auf dem Ostermarkt. Oh nononono no! Was war mit mir los? War das, was ich fühlte, das ominöse Verliebtsein? Wahrscheinlich. Oh nononono no. Wie konnte man so ein Gefühl beschreiben? Wie festhalten für alle Ewigkeit? So ein großartiges Lied würde ich nie im Leben komponieren können, nicht einmal, wenn mir Clarissas Vater Gitarrenunterricht geben würde. Aber dann hatte ich die Idee. Ich legte die Kinokarte auf die Plattenhülle, schob sie in den Lichtkegel der Schreibtischlampe,

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