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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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Pils, das Glas für 50 Pfennig.
    »Wisst ihr, mit wem ich mal gern würde?«, fragte Detlef.
    »Mit Markus’ Schwester?«, gluckste Ralf.
    Mich für Hanna starkzumachen, wäre mir ansonsten nie eingefallen, aber das ging nun doch entschieden zu weit. »Pass auf, was du sagst, du Arschgeige. Sonst –«
    »Ach was.« Detlef winkte desinteressiert ab. »Aber der Itacker, der sich da neben unserem Schuhgeschäft seine Eisdiele zusammenbastelt, der hat ’ne Tochter. Ganz, ganz heiße Braut, Leute. Die vernasch ich bald mal.«
    Ich schnappte nach Luft. Für Hannas Ehre hatte ich mich eben noch mannhaft in die Bresche geworfen, und jetzt ging es um die Ehre meiner – ja, was? Meiner Geliebten? Meines Traums? Meiner zauberhaften, kleinen Ballerina? Ich starrte Detlef fassungslos an.
    »Was glotzt du denn so?«, sagte er und trank einen Schluck.
    Ich hätte ihm gern mein Bier ins Gesicht gekippt, ihn gewürgt und geprügelt und in die Eier getreten, ihn pulverisiert; hätte für Clarissa kämpfen und mich zerreißen müssen wie Horst Buchholz als Chico für seine glutäugige Petra. Aber ich nahm nur einen Bierdeckel vom Stapel, zerriss ihn langsam und sorgfältig in kleine Stücke und kam mir schwach und schäbig vor. Ein Feigling. Ein Verräter. Die Jukebox wechselte innerlich ruckend, bebend und zuckend zur dritten Platte meiner Wahl. The Lion Sleeps Tonight. Der Löwe in mir musste so tun, als schliefe er, durfte nicht aufspringen, um den Schweinehund Detlef Harms zu zerreißen, durfte nicht für seine Liebe kämpfen. Wenn ich meinen drei Freunden gestehen würde, dass ich Clarissa verfallen war, im Gedanken an sie jeden Abend zu Bett ging und jeden Morgen erwachte, dann – ja, was dann? Ich wusste es nicht, aber ich fürchtete mich davor. Wir wussten ja auch nicht, wie der Atomblitz im Dritten Weltkrieg aussehen würde, aber wir fürchteten uns davor und taten lässig so, als ließe uns die Angst kalt.
    »Nichts«, sagte ich, »gar nichts. The Lion Sleeps Tonight.«
    »Echt gutes Stück«, sagte Rudi. »Kauf ich mir vom nächsten Taschengeld. Elli, mach mal noch ’ne Runde.«
    Nachdem jeder von uns eine Runde geschmissen hatte, waren wir ziemlich angesäuselt. Detlef Harms hätte ich zum Abschied gern eine Ohrfeige gegeben, gab ihm aber nur die Hand. Immerhin hatte er mich, wenn auch unfreiwillig, auf die Fährte gebracht, wo Clarissa zu finden wäre. Dass ich da nicht selbst drauf gekommen war! Zum Glück wohnte Detlef nicht in dem Haus, in dem das Schuhgeschäft seiner Eltern war, sodass wir in entgegengesetzter Richtung schwankend davonradelten.

    Es war schweinekalt und dämmerte bereits. Die gefrierenden Wölkchen meines Atems verschluckte der Nebel, aber ich trat so heftig in die Pedale, dass ich ins Schwitzen geriet, raste bei Rot über eine Ampel, wurde fast von einem Ford Taunus gerammt, der mir empört nachhupte, und kam außer Atem am Markt an. Über der Ladentür hing noch das alte Schild Kolonialwaren – Feinkost – Obst – Siegfried Kröger, aber die Türverglasung und das Schaufenster waren von innen mit alten Zeitungen verklebt. Zwischen den Seiten gab es an einigen Stellen Spalten, durch die Licht aus dem Inneren brach. Zwischen den Schlagzeilen Graf Berghe von Trips tödlich verunglückt und Massenflucht aus SBZ verursacht 30 Milliarden Mark Schaden drückte ich die Nase ans Fenster, konnte aber nichts erkennen, weil mein Atem die Scheibe beschlug und gefror.
    Ich drückte die Klinke und öffnete vorsichtig die Tür. Die Ladenklingel schepperte. Mit Ausnahme des alten Verkaufstresens aus dunklem Holz war der Raum leer, der Fußboden mit Zeitungen ausgelegt. Ich trat auf Westdeutscher Journalist von Vopos erschossen und machte einen Schritt über Werder Bremen Pokalsieger hinweg.
    Herr Tinotti stand auf einer Leiter, kratzte mit einem Spachtel alte Farbe von der Decke und schaute überrascht auf mich herab. »Ciao, Marco! Come va?« Er drehte sich in Richtung der offen stehenden Lagertür. »Clarissa!«
    Sie kam, Enzo im Schlepptau, in den Laden. Sie trug eine dunkelblaue Hose und ein mit Farbflecken übersätes blaues Herrenhemd, das ihr bis zu den Knien reichte, und hatte auf dem Kopf einen aus Zeitungspapier gefalteten Dreispitz, unter dem das zu einem Zopf geflochtene Haar wie eine schwarze Schlange über ihren Rücken fiel. Sie lächelte mich an. Ihre kleinen Zähne blitzten weiß, und die dunklen Augen strahlten. »Hallo Markus, was machst du denn hier?«
    »Ich, ich wollte nur mal –, ich

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