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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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Ob sie wohl wusste, dass in den Fromms-Automaten keine Zigaretten steckten, sondern – Lass mich nie alleine, o nononono no!

    Das schmuddelige Regenwetter der Jahreswende war klirrender Kälte gewichen. Trotzdem fuhr ich mit dem Fahrrad zum Fußballtraining, um mich von meinen ebenso geilen wie unfruchtbaren Grübeleien abzulenken. Sport sollte in solchen Fällen angeblich hilfreich sein. Der Frost hatte den Schlamm der Trainingsplätze in Eiswüsten verwandelt. Fußball, erklärte unser Trainer, sei was für harte Männer, aber er könne es nicht verantworten, wenn sich einer von uns verletzte. »Da komm ich in Teufels Küche. Geht nach Hause, Jungs. Training fällt aus.«
    Detlef Harms, Rechtsaußen, Rudi Wiechers, Mittelfeld, Ralf Eilert, Vorstopper, und ich, halb links, kehrten auf dem Heimweg in der Sportklause ein, einer schummrigen Eckkneipe, deren Hauptattraktionen zwei Spielautomaten von Monarch und Merkur, eine Musikbox, Modell Rock-Ola von Wurlitzer, und vermutlich auch der einschlägige Automat auf der Herrentoilette waren. Die gutmütige Wirtin hatte ein Herz für Sportler wie uns, fürchtete Teufels Küche unserer Elternhäuser nicht, fragte nicht nach Aussehen, Alter noch Ausweisen, sondern höchstens nach der Lieblingsmannschaft, und schenkte uns ohne weiteres Bier aus. Das gerahmte Gesetz zum Schutz der Jugend hing auf dem Klo neben dem Fromms-Spender.
    Am Tresen hockten drei Frührentner, rauchten Eckstein und tranken Paderborner Pils aus 0,2-Gläsern. Als wir eintraten, dudelte die Jukebox gerade die letzten Takte Vier Schimmel, ein Wagen vom Trio Kolenka, und dann kam Ein Schiff wird kommen von Caterina Valente. Jemand hatte wohl 50 Pfennig für drei Titel geopfert. Wir setzten uns in die Ecke direkt neben die Box, um bei nächster Gelegenheit die Musikhoheit an uns reißen zu können, und bestellten eine Runde Pils. Mit der forschen Bemerkung, die Gurke zu fegen, investierte Ralf eine Mark in den Monarch, gewann im zweiten Spiel gleich eine Superbonusserie, verlor dann aber alles wieder und murmelte etwas von Betrug. Ich studierte die Titelliste der Jukebox, die so chromglänzend funkelte wie Bauunternehmer Siefkens Borgward, und warf einen Fünfziger ein. Telstar von den Tornados.
    Detlef hielt uns eine halbvolle Schachtel HB hin. Wir griffen zu, sogen den Rauch ein, husteten, tranken Bier.
    »Siehst du die Leichen dort im Schnee? Das sind die Opfer von HB«, sagte Rudi.
    Die bislang leise murmelnden Tresenhocker wurden plötzlich lauter. Offenbar stritten sie sich.
    »Ist doch nur gut, wenn die Russen und Chinesen sich ihre Atombomben gegenseitig auf den Kopf schmeißen. Dann haben wir hier endlich Ruhe«, sagte einer.
    »Ruhe? Ha!«, dröhnte ein anderer. »Friedhofsruhe vielleicht. Wenn’s Atomkrieg gibt, egal wo, egal ob in Berlin oder China, wisst ihr, was dann übrig bleibt von der Welt?«
    »Die Sportklause«, sagte der Dritte. »Elli, mach uns mal noch drei Kleine.«
    »Ja, Pustekuchen. Die wird genauso pulverisiert wie alles. Und wisst ihr, was dann kommt?«
    »Lilo Pulver?«
    Die Wirtin lachte gackernd.
    »Euch wird das Lachen schon noch vergehen. Dann kommt nämlich die Weltherrschaft der Ratten, Kakerlaken und Silberfischchen!«
    »Mir doch schnurzpiepe«, sagte der Erste. »Ich bau mir im Garten ’nen Bunker und lagere da mindestens 20 Kisten Paderborner ein.«
    Jetzt lachten alle. Wir auch.
    »Meine Eltern wollen sich auch einen Bunker bauen«, erzählte Ralf. »Im Keller. Da werden Betondecken eingezogen. Wassertank. Lokus. Kühlschrank. Habt ihr eigentlich Schiss vor’m Dritten Weltkrieg?«
    »Ach was.«
    »Quatsch.«
    »Ich auch nicht.«
    Wir logen alle und wussten, dass wir logen, und inhalierten lässig HB-Rauch. Wer würde denn gleich in die Luft gehen?
    Der Automat wechselte die Platte. Im Bauch der Box klickte es, surrte suchend hin und her, schnappte, rastete ein, knisterte in der Leerrille, und dann fetzte Dion Sweet Little Sheila. Ganz neu. Der Hammer! Wir hörten verzückt zu.
    »Hat mein Bruder auch«, sagte Rudi. »Hat ihm seine Freundin zum Geburtstag geschenkt. Ihr wisst schon, diese Doris, für die er die Präser braucht. Hä, hä. Die hat solche Möpse.« Er bewegte beide Hände 20 Zentimeter vor seiner Brust.
    Wir lachten wissend und grinsten schmachtend.
    »Mit der würd ich auch gern mal«, sagte Ralf.
    »Da träumst du aber auch nur von«, sagte Rudi. »Die ist fast 20. Außerdem haut dir dann mein Bruder den Arsch voll.«
    Wir bestellten noch eine Runde

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