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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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am Steuer
sich bei der Frau unseres Schmiedes erkundigte, ob das die Straße nach London
sei. Er hätte, das brauche ich kaum eigens zu sagen, auch keine besseren
Chancen gehabt, daß Mistress McLaren ihn richtig verstand, wenn er nach der
Straße nach Monte Carlo gefragt hätte; sie war überzeugt, er wolle wissen, in
welche Richtung der andere Wagen gefahren sei – weil für sie ja, wie Will
sagte, sich immer alles darum drehte, daß die Jungs hinter den Mädchen
herwaren. So wies sie denn, sehr zufrieden mit sich, auf den düsteren Weg das
Tal hinauf, und mit brüllendem Motor schoß der schwere Wagen in Richtung
Erchany davon. Die meisten im Dorf rechneten nicht damit, daß die zwei es bis
zur Burg schaffen würden, und ebensowenig damit, daß sie noch zurückkonnten;
Carfrae, der Gemüsehändler, mußte natürlich den Witz anbringen, daß sie sich in
der Nacht oben im einsamen Tal schon gegenseitig warmhalten würden.
    Danach erfuhr keiner in Kinkeig mehr etwas Neues. In der Nacht
kam ein Wind auf, der den immer weiter fallenden Schnee hierhin und dorthin
wirbelte, als mißgönne er den feinen Flocken ihren Ruheplatz auf dem weißen
Boden; den ganzen Heiligabend lang türmte er ringsum den Schnee zu hohen Mauern
auf. Am Weihnachtsmorgen flaute der Wind ab, doch leise fielen weiterhin die
Flocken; als ich früh an der Kirche vorüberkam, war die Glocke, die zu der
Morgenandacht rief, die Dr.   Jervie so gern hält, kaum zu vernehmen, so gedämpft
war alles von dem vielen Schnee.
    Zu jener Stunde war es, in der die wenigen in Kinkeig, für die
Weihnachten ein Fest der Kirche ist, im Gotteshaus versammelt waren, daß Tammas
zum zweiten Mal kam, und klarer als den Ruf der Glocke hörte ich den
entsetzlichen Schrei, den er ausstieß, als er sich durch die letzte Schneewehe
gekämpft hatte: sein Herr, Ranald Guthrie auf Erchany, war tot.
    Und hier, geneigter Leser, will ich meine wirre und unstete Feder
niederlegen, und als nächstes wird, denke ich, zu lesen sein, was Noel Gylby,
der junge Mann in dem großen Wagen, für sein Mädchen in London aufschrieb. Doch
der Leser und ich werden uns wiederbegegnen, ehe diese Geschichte vorüber ist.

ZWEITER TEIL
    Noel Gylbys Tagebuch

I.
    24. Dezember
    Liebste Diana! Blätter – wie Königin Viktoria zu sagen pflegte – aus dem Tagebuch meines Lebens in den Highlands. Wenn nicht meines Sterbens in
den Lowlands. Denn ich habe keine Ahnung, ob ich dies Abenteuer überstehen
werde; ich habe nicht einmal einen blassen Schimmer – wie meine amerikanische
Freundin sagen würde –, wo ich überhaupt bin. JAWOHL, ich habe mir eine
Freundin zugelegt, eine streitbare und bezaubernde und durch und durch
geheimnisvolle junge Dame von jenseits des Großen Teiches, und wir sind auf
einer Burg irgendwo in Schottland gestrandet, und ich werde das Gefühl nicht
los – hab’s im Urin, würde sie sagen –, daß der Seneschall uns schon im
nächsten Augenblick höchst feudal die Kehle durchschneiden wird, ein
Seneschall, der – wohlgemerkt! – auf den Namen Hardcastle hört, und hart genug
ist’s hier auf der Burg, und so feucht und so kalt und so verrückt, daß die
Hausangestellten (obwohl ich bisher noch keinen einzigen zu Gesicht bekommen
habe) wahrscheinlich Dampcastle, Coldcastle und Crazycastle heißen – ein ganzer
Trupp Crazycastles könnte irgendwo hinter diesen bröckelnden Mauern lauern. Und
wir haben’s irgendwie im Urin – Miss Guthrie und ich –, daß wir schon bald von
den bösen Heiden belagert sein werden, den Rittern Sansjoy, Sansfoy und Sansloy – und wenn du meinst, Diana, Heiden oder Leute, die Ohnefreud, Ohneglaub und
Ohngesetz heißen, hätten in Schottland nichts verloren, dann kann ich Dir nur
antworten, daß Du mir ein wenig Mangel an Logik schon nachsehen mußt, nach
dieser wirklich entsetzlichen Nacht.
    Sei mir nicht böse, Diana, aber ich werde nun doch nicht zu
Weihnachten in London sein, und nicht durch meine Schuld. Laß es Dir erklären.
Hör’ mir zu. Als eine Art Entschuldigung will ich alles hier aufschreiben. Und
es ist lustig dazu und hat gute Aussichten, daß es auch lustig bleibt.
    Ich hatte Kincrae und die Schrecken des für die Jahreszeit so ganz
und gar unpassenden Ansinnens meiner Tante, dorthin gebracht zu werden – kannst
Du Dir vorstellen, daß tatsächlich Eiszapfen an den Nasen der trübseligen
Hirschköpfe an den Wänden im Großen Saal hingen? –, ich hatte diese Schrecken
überstanden und war in aller Frühe gestern

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