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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Wedderburn, Wedderburn und
McTodd ihren reichlichen Beitrag zu dieser ehrenwerten Tradition geleistet hat.
Niemals drängen wir unsere Klienten, ihre Angelegenheiten allzu eilig vor den
Richter zu bringen, denn was heute das Blut in Wallung bringt, ist morgen
nichts als eine Dummheit, die schon halb vergessen ist, und Besonnenheit ist
der Schlüssel zu jeder wahrhaft umsichtigen Rechtspraxis. So sind unsere
Klienten denn auch nur selten den Unwägbarkeiten eines Rechtsstreites
ausgesetzt, denn dem harmonischen und einträglichen Umgang von Rechtsberater
und Auftraggeber kann es nur abträglich sein, wenn die geschätzten Kollegen von
der Prozeßanwaltschaft hinzugezogen werden – ganz zu schweigen von den nicht
unbeträchtlichen Forderungen finanzieller Natur, mit denen eine solche
Prozeßvertretung in der Regel verbunden ist. Die wohltuende Solidität des Eigentumsrechts – eine Wissenschaft, die oft von größtem historischem Interesse ist – sowie die
diskrete Abwicklung von Bankrotten, Unterhaltsforderungen, Fällen von Irrsinn
und Unzurechnungsfähigkeit in den bedeutenden Familien Schottlands sind schon
seit Generationen die Bereiche gewesen, in denen unsere Kanzlei in erster Linie
tätig war. Was wir vor allen Dingen stets gemieden haben, das war das grelle
Rampenlicht der Strafjustiz!
    Nachdem diese Präambel vorausgeschickt ist – welche, darauf vertraue
ich, zur Erklärung für jedes Mißverständnis, das sich noch ergeben mag, genügen
wird –, will ich nun, um den Ausdruck zu gebrauchen, den auch mein geschätzter
Freund Ewan Bell schon verwandte, in medias res gehen. Am Nachmittag jenes Weihnachtstages, der im Mittelpunkt der vorliegenden
Chronik steht, begab ich mich, nachdem ich meine Familie zur
Weihnachtsvorstellung ins Theater auf den Weg gebracht hatte – ein
Freizeitvergnügen, dessen Popularität ich, das muß ich leider sagen, nie so
recht verstanden habe – zum Burghügel und ließ mich in die Bibliothek der
Anwaltskammer ein, wo ich mich in aller Ruhe einigen Stunden der Lektüre zu
widmen gedachte: zumindest den einen oder anderen meiner Leser wird es interessieren,
daß meine Monographie Streubesitz und Flurbereinigung in den
schottischen Landgerichten des achtzehnten Jahrhunderts kurz vor der
Fertigstellung steht. Ich war eben dabei, einen wertvollen Artikel des
eminenten Dr.   Macgonigle in der Scottish Historical Review zu lesen, als die Ankunft meines Fahrers mich unterbrach; er teilte mit, daß
General Gylby mich in einer recht dringenden Angelegenheit habe sprechen wollen
und nun bei mir zu Hause auf meine Rückkehr warte.
    Gylby und ich waren in Morayshire gemeinsam auf die Jagd gegangen,
und man konnte von einem freundschaftlichen Verhältnis sprechen; außerdem wußte
ich, daß seine Schwägerin mit dem jungen Grafen von Inverallochy verlobt war:
ich lobte den Chauffeur, daß er mich benachrichtigt hatte, und ließ mich
sogleich nach Hause fahren.
    Es wird kaum nötig sein, dem Leser zu sagen, daß General Gylby eines
Telegramms wegen gekommen war, das er von seinem Neffen erhalten hatte: dieser
junge Herr war zusammen mit einer Freundin in einen ebenso gewalttätigen wie
geheimnisvollen Vorfall verwickelt worden – und zwar so sehr verwickelt, daß er
dringend einen Rechtsbeistand brauchte. Das Telegramm war kurz und ließ, wie es
im Wesen solcher Mitteilungen liegt, viele Fragen offen, und hätte ich nicht
gefürchtet, daß es den General kränken könne, so hätte ich ihn wohl einfach an
einen tüchtigen jungen Anwalt ohne jede Verbindung mit unserer Kanzlei
weiterverwiesen. So wie die Dinge standen, hielt ich es jedoch für klüger, mich
an meinen Neffen Aeneas zu wenden. Aeneas ist nun schon seit einigen Jahren der
Junior unserer Sozietät, und man muß sagen, daß er in diesen Jahren ein
außerordentliches Talent für den Umgang mit gerade jenen allzu pittoresken
Aspekten der Juristerei entwickelt hat, denen aus dem Wege zu gehen wir uns
stets bemüht haben. Als Mrs.   Macrattle aus Dunk ihren Wildhüter vergiftete,
indem sie mit einer Spritze, die sie dem Hausarzt entwendet hatte,
Desinfektionsmittel für Schafe in seinen Haggis injizierte, hatte Aeneas die
Angelegenheit in Ordnung gebracht; als der Herr von Macqueady (was einiges
Aufsehen erregte) vor Gericht kam, weil er eine gewaltige Tellermine unter dem
Haus gezündet hatte, in dem seine Frau eben eine Abendgesellschaft bewirtete,
da war es Aeneas, der dem Verteidiger die erfolgreiche Strategie eingab,

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