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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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»Lassen Sie den Hund in Ruhe!«
    »Aber gewiß, wenn Sie es so wünschen. Ich glaube, ich habe ohnehin
das Interesse an ihm verloren. Ein tauber Zeuge, und ein stummer dazu, nicht
wahr? Ich komme als Anwalt von Miss Guthrie, der neuen Eigentümerin. Wenn Sie
bitte so freundlich sein wollen, mich zu ihr zu führen?«
    Gylbys Einschätzung des Verwalters hatte sich, überlegte ich, als
bemerkenswert akkurat erwiesen. Ein verschlagener Gauner, doch einer, der schnell
mit seiner Verschlagenheit am Ende war. Ich war recht zufrieden, daß er sich so
schön in das Bild einfügte, das sich allmählich bei mir von den Ereignissen der
Weihnacht entwickelte. Dies Bild war noch längst nicht vollständig; nur die
größten Steine des Puzzlespiels – ein Vergleich, den mir Ranald Guthries
Beschäftigung mit seinen Puzzles eingab – waren bisher an Ort und Stelle. Doch
schon diese zeigten mir, wenn ich mich nicht ganz täuschte, die Grundzüge einer
höchst kuriosen Situation. Zwangsläufig lag noch vieles im Dunkeln und forderte
noch umsichtige und sorgfältige Ermittlungen. Ermittlungen – das Wort läßt mich
innehalten. Ich war nach Erchany von Berufs wegen gekommen, als Anwalt; der
Leser wird nicht ohne Heiterkeit sehen, wie ich mich nun, obwohl ich noch nicht
einmal die Schwelle des Hauses überschritten hatte, von den Ereignissen in die
unwürdige Rolle eines Privatdetektivs hatte locken lassen!
    Als ich den großen Saal der Burg betrat, kam mir ein Polizeibeamter
in Uniform entgegen, stellte sich als Inspektor Speight vor und bat mich in
einen kleinen, spärlich möblierten Raum, in dem er offenbar sein Hauptquartier
aufgeschlagen hatte. Ich hätte darauf bestehen können, daß ich zuerst mit
meiner Mandantin sprach, bevor ich der Polizei zur Verfügung stand, doch
bestand dazu für meine Begriffe kein Grund, und ich kam seiner Bitte nach.
Inspektor Speight erwies sich rasch als ein höflicher und intelligenter Mann,
und ich fand es nur recht, wenn ich ihm zu verstehen gab, daß ich schon einiges
über den Tatbestand wußte. Nach ein paar Vorbemerkungen fragte ich deshalb:
»Ich nehme an, Gamley haben Sie inzwischen gefunden?«
    »Oh ja, das war nicht schwierig. Wir wissen, wonach wir ihn heute
nachmittag fragen müssen.«
    »Und Sie werden auch die beiden jungen Leute ausfindig gemacht
haben, die der verstorbene Mr.   Guthrie aus dem Haus gejagt hat?«
    »Aus dem Haus gejagt? Davon weiß ich nichts.«
    »Sie werden es noch erfahren, Inspektor. Ich denke, daß dieser
Umstand noch von einiger Wichtigkeit sein wird. Bis wohin waren die beiden denn
gekommen?«
    Der Inspektor schüttelte den Kopf. »So seltsam das ist, Mr.   Wedderburn, wir haben bisher keine Spur von ihnen. Aber sie haben natürlich
auch guten Grund, sich zu verstecken.«
    »Da, mein lieber Inspektor, bin ich mir nicht so sicher. Ich könnte
mir gut vorstellen, daß sie nun, wo Mr.   Guthrie tot ist, gar keinen Grund mehr
haben, sich so klammheimlich davonzumachen. Sehr gut
vorstellen sogar.«
    »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Mr.   Wedderburn – das
scheint mir eine ausgesprochen abwegige Vorstellung.«
    »Das kommt ganz auf den Blickpunkt an, meinen Sie nicht auch?
Vielleicht haben Sie Grund zu der Annahme, der junge Mr.   Lindsay habe sich
etwas zuschulden kommen lassen?«
    Ich hatte mich nicht verrechnet, als ich auf eine gewisse
Gereiztheit baute, die im Verhalten von Inspektor Speight zu spüren war. Prompt
ließ er sich von meiner gelassenen Art provozieren und sagte abrupt: »Der Junge
hat Guthrie vom Turm gestoßen. Daran gibt es für mich überhaupt keine Zweifel.«
    »Denkbar ist es, Inspektor. Aber ist es nicht noch ein wenig früh,
um jetzt schon überzeugt zu sein? Und wenn mich nicht alles täuscht, gibt es
Aussagen, die dagegen sprechen?«
    »Sicher, die von Miss Guthrie.«
    Miss Guthrie hatte der Polizei ihre Geschichte also bereits erzählt.
Ich erhob mich. »Inspektor, ich glaube, es wird Zeit, daß ich mit meiner
Mandantin spreche.«
    Inspektor Speight machte eine beschwichtigende Geste. »Sie dürfen
nicht glauben, Sir, daß ich die Aussage der jungen Dame ganz und gar in Zweifel
ziehen will. Aber sie fürchtete sich draußen im Sturm, sie war verwirrt, und
sie wollte die Geschehnisse im Turm so harmlos wie möglich sehen.« Der
Inspektor hielt inne. »Vielleicht erinnert sie sich ja besser, wenn sie noch
einmal in Ruhe darüber nachdenkt.«
    Wieder sah ich, daß Inspektor Speight ein kluger Mann war. Ich
überlegte,

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