Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
wäre es schon verwunderlich, wenn sie dem einzigen Überlebenden des Treetrunk-Holocausts nicht ihre Anteilnahme aussprechen wollten. Natürlich werden wir jeden Pitar gründlich nach allem durchleuchten, was auch nur annähernd gefährlich sein könnte, ehe wir ihn bis auf hundert Kilometer an diese Insel heranlassen, geschweige denn an diese Klinik. Oder an Mr Alwyn Mallory.«
»Selbst wenn«, wandte Rothenburg ein, als sie um eine Ecke bogen. »Entschlossene Meuchelmörder finden immer einen Weg.«
Nadurovina nickte nachdenklich. »In diesem Fall hätten wir so etwas wie eine indirekte Antwort auf unsere Frage, meinen Sie nicht?« Rothenburg wusste nicht, was er auf diesen kühlen, objektiven Schluss erwidern sollte. »Aber ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird. Die Pitar werden vermutlich glauben, dass wir sie testen wollen. Wenn sie für das Massaker verantwortlich sind, wie Mr Mallory behauptet, dann werden sie bereitwillig jeden Test mitmachen, der ihnen dabei hilft, von unserer Liste der Verdächtigen gestrichen zu werden. Wenn sie unschuldig sind und ihre Beteiligung an dem Massaker lediglich ein Produkt von Mr Mallorys verwirrter Fantasie ist, haben wir keinen Schaden angerichtet.«
»Die Beziehungen zwischen uns und den Pitar nehmen vielleicht keinen Schaden«, wandte Rothenburg ein, »aber was ist mit dem Patienten?«
»Es ist an der Zeit, die Würfel zu werfen, Erhard!«
Er bedachte seine Kollegin mit einem dünnen Lächeln. »Leicht gesagt, wenn nicht die eigene Gesundheit auf dem Spiel steht.«
Seine Erwiderung beunruhigte sie offenbar. »Ganz gleich, was Sie denken mögen, ich schlage diese Maßnahme weder leichtfertig noch ohne Skrupel vor, Major! Wie unausgereift der Plan auch immer sein mag, ich bin mir durchaus bewusst, dass Mr Mallory unser einziges Bindeglied zu der mysteriösen Katastrophe auf Treetrunk ist. Ich will ebenso wenig wie Sie mit ansehen müssen, dass er seinen Bezug zur Realität wieder verliert. Aber ich habe hier das Kommando und bin somit der Offizier, von dem man Antworten verlangt. Keine sachlichen Spekulationen, keine vernünftigen Hypothesen, sondern Antworten! Was auch immer geschieht, wenn wir Mr Mallory mit seinen Ängsten konfrontieren, welche Konsequenzen auch immer sich daraus ergeben, ich bin diejenige, die sie tragen muss. Ich bin bereit dieses Risiko einzugehen.«
»Aber Sie würfeln dennoch mit den Würfeln eines anderen Menschen.« Rothenburg weigerte sich, seine Vorgesetzte vom Haken zu lassen. »Trotz meines ersten Eindrucks muss ich gestehen, dass ich diesen Mallory allmählich mag.«
»Ob er gemocht wird oder nicht, steht hier aber nicht auf dem Spiel. Zugegeben, ich mag ihn auch. Aber wenn es um die Auflösung dieses schrecklichen Geheimnisses geht, können wir aufsein Leben ebenso wenig Rücksicht nehmen wie auf meins oder Ihres.«
»Also schön. Ich werde die nötigen Anweisungen ebenfalls unterzeichnen, solange Sie die Hauptverantwortung tragen.«
Tief in Gedanken versunken ging Nadurovina zum Ausgang und trat vor die Klinik. Draußen wehte eine laue Brise, und der Duft von Orchideen und der warme, feuchte Geruch nach Mutter Erde erfüllte die Luft. Oben, in der obersten Etage der Klinik, lag ein einsamer, verängstigter Mann, der vielleicht den Schlüssel zur Katastrophe auf Treetrunk hatte. Wenn sie seine Geschichte nur beweisen oder widerlegen könnten!
»Als ranghöchster Offizier vor Ort habe ich keine Wahl. Also kann ich es genauso gut aus eigenem Antrieb tun. Sie werden die nötigen Vorkehrungen treffen?«
Er nickte. »Ich kümmere mich um meinen Teil der Aufgaben. Wie lange brauchen Sie voraussichtlich, um einen oder mehrere Pitar hierherzuholen?«
»Einer dürfte genügen, denke ich. Wenn wir die Sache zu sehr an die große Glocke hängen, werden sie vielleicht misstrauisch. Wir wollen eine unverfälschte Reaktion von ihnen, und keine, die auf Vorahnungen beruht. Ich werde mit Dr. Chimbu besprechen, wie wir Mr Mallorys Reaktionen noch besser überwachen können, als wir es im Moment tun. Wir müssen selbst das kleinste Detail aufzeichnen, um es hinterher analysieren zu können.«
»Für den Fall, dass Mallory sich sperrt, wieder ins Koma fällt oder stirbt?« Rothenburg hatte dem Plan seiner Vorgesetzten vielleicht zugestimmt, aber glücklich war er damit nicht.
Nadurovina ignorierte seinen Sarkasmus. »Ja. Für den Fall, dass einer dieser bedauerlichen Fälle eintritt. Was ich nicht hoffe.«
»Was ist mit der
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