Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
vom linken Stiefel. Wütend mit den Mundwerkzeugen knirschend, landete die Ameise mit vernehmlichem Platsch rücklings in den Blättern, ehe sie sich wieder auf den Bauch drehte und von dannen krabbelte. »Die Diplomaten haben noch zwei Kulturaustausch-Programmen zugestimmt, und endlich machen sie Fortschritte bei der Streitfrage, ob diese Kolonie hier erweitert werden soll.« Genau diese heikle Frage hatte ihn überhaupt erst in das Naturreservat im Amazonas verschlagen.
»Warum sind die einzelnen Menschen, die Einsprüche gegen die Details des Handelsvertrags erheben, so wütend auf uns?«, fragte sie. »Derartige Handelsbeziehungen können sich doch nur positiv auf unsere jeweilige Wirtschaft auswirken.«
»Wie du weißt, unterstützen die Kolonien den Vertrag mit mehr Begeisterung.« Dann fügte er mit dem für ihn typischen Sarkasmus hinzu: »Tausche so viele Maler, Bildhauer, Dichter und Musiker aus, wie du willst, und niemand wird sich deswegen beschweren! Aber sobald Geld im Spiel ist, erhitzt sich das Gemüt, und der Blutdruck steigt.«
»Unser Blutdruck schwankt nicht so stark wie eurer«, murmelte Hathvupredek. »Das darf er auch nicht, denn sonst würden wir platzen.«
»Manche von uns tun genau das«, seufzte Adjami. »Der Beruf des Politikers kann mitunter ausgesprochen unangenehm sein. Oft wünsche ich mir, ich wäre meinem Herzen gefolgt und hätte Archäologie studiert.«
»Das kann ich nachempfinden. Ich wollte immer ein Pm.’/.sterwerden.«
Adjami blinzelte unsicher. »Diesen Begriff habe ich noch nie gehört.«
»Jemand, der essbare Pflanzen auf ästhetische Weise anbaut. Dieser Beruf kombiniert unsere Funktion des Farmers mit der des Bildhauers. Es ist leichter, mit Pflanzen übereinzukommen als mit Menschen. Pflanzen machen dir keine Schwierigkeiten.«
Adjami schnaubte. »Die Pflanzen in meiner Heimat schon. Sie wachsen zögerlich, wenn überhaupt. Das Erdreich dort ist widerspenstig.« Er strich die Blätter am Boden beiseite und griff sich eine Hand voll Erde. »Nicht wie hier, wo man nur auf den Boden spucken muss, um alle möglichen überraschenden Gewächse hervorzulocken.«
»Vielleicht sollten wir uns öfter anspucken, damit die Beziehungen zwischen unseren Völkern besser gedeihen.« Hathvupredek neigte nicht dazu, sich eine gute Gelegenheit für Sticheleien entgehen zu lassen.
Adjami entging der sanfte Zynismus nicht. »Ich bin auch ungeduldig. Die Formalitäten müssten eigentlich viel schneller erledigt werden. Das würden sie auch, wenn es nicht kürzlich zu dieser - Ablenkung gekommen wäre.«
Er brauchte nicht zu erklären, was er damit meinte. Seit die Abgesandten der Spezies, die sich selbst die Pitar nannten, auf der Erde waren, entwickelten sich die Beziehungen zwischen der Menschheit und den Thranx nur stockend. Die Regierung widmete ihre diplomatische Aufmerksamkeit größtenteils den neuen Besuchern, genau wie es die Wählerschaft verlangte. Die Beziehungen zu den Thranx wurden vernachlässigt, die Gespräche an rangniedere Funktionäre wie Adjami delegiert. So war es eben: Wer wollte sich schon mit Käfern treffen, wenn man stattdessen mit der unglaublich bezaubernden SlylWett und ihrem gut aussehenden Korepräsentanten CoubBaku am Verhandlungstisch sitzen konnte?
Da die Thranx zu höflich waren, um sich zu beschweren, und da ihr Verhalten zu vielschichtig war, als dass sie die Menschen dazu gedrängt hätten, sich mehr um die Vertiefung der Mensch-Thranx-Beziehungen zu kümmern, hielten sie die Mundwerkzeuge und versuchten, sich mit dem spärlichen Fortschritt zu begnügen, den sie nach wie vor machten - auch wenn dieser Fortschritt gletscherartiges Tempo hatte. Allianzen und Angliederungen, zu deren Formalisierung die Thranx Monate veranschlagt hatten, würden nun eher Jahre benötigen, vielleicht sogar Jahrzehnte. Dagegen konnten die Thranx nichts tun. Sie waren dazu verdammt, auf der Stelle zu treten, weil die Menschen die Pitar bewunderten. Hätten die Thranx sich lauthals beschwert oder die verdiente Aufmerksamkeit und den gebührenden Respekt der Menschen eingefordert, so hätten sie den xenophobischen Kräften in der menschlichen Gesellschaft damit nur zusätzlich Munition geliefert. So geduldig die Thranx auch von Natur aus waren: Die Menschen stellten momentan diese Geduld auf eine harte Probe.
Aber die Thranx hatten keine Wahl - nicht, wenn sie die Beziehungen zur Menschheit vertiefen wollten. Einige einflussreiche Thranx glaubten, die Menschheit
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