Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
Spezies einfach nur vorsichtiger als ihr.« Sie nahm eine andere Haltung auf dem getarnten Ruhesattel ein. »Diese Vorsicht ist nicht nur ein Rassenmerkmal. Zum Teil geht sie auf den kniffligen Reigen der Disharmonie zurück, den wir seit mehr als dreihundertfünfzig Thranx-Jahren mit den AAnn tanzen.«
Adjami konnte sich einen verbalen Seitenhieb nicht verkneifen. »Wir haben weniger als hundert Jahre mit den AAnn zu tun und kommen mit ihnen zurecht. Zugegeben, es gab gelegentlich Missverständnisse und kleinere Konflikte, aber wir haben es immer wieder geschafft, die Wogen zu glätten.«
»Die AAnn sind spontan. In dieser Beziehung gleichen sie euch viel mehr als uns. Aber wenn es ihren Bedürfnissen und Zielen zuträglich ist, können sie auch geduldig sein. Sie sind wie ein ständig wieder ausbrechendes Virus.« Hathvupredek gestikulierte mit allen vier Händen gleichzeitig. »Wir wollen uns nur vergewissern, dass ihr in den Pitar keine Spezies gefunden habt, die sogar noch geduldiger ist als die AAnn.«
»Eine nett versteckte diplomatische Verdammung!« Adjami beugte sich vor, hob ein langes, dünnes Blatt auf und kaute versuchsweise auf dem Stängel herum. Er schmeckte ein wenig nach Pfefferminz - wie so viele Pflanzen, die nahe der Kolonie wuchsen und große Mengen an Alkaloiden enthielten. »Wir sind vorsichtig.«
»Nein, seid ihr nicht!« Hathvupredeks untypische Offenheit überraschte den Diplomaten. »Ihr seid überwältigt von diesen Pitar, die euch so sehr an Idealbilder eurer selbst erinnern. Ihr seid geblendet. Wir gehen bei der Einschätzung anderer Intelligenzen analytischer vor, systematischer.«
Adjami hatte sich den Stängel zwischen die Zähne geklemmt. »Du meinst also, wir seien naiv.«
Hathvupredek presste das gewundene Ende ihrer Legeröhren an die Rückseite ihres Abdomens, wodurch sich die Röhren gleich abflachten. »Wir glauben, dass ihr sie zu großmütig bei euch aufnehmt. Ein sympathischer Charakterzug, aber auch ein gefährlicher.«
Adjami lachte sanft. »Wir sind nicht so offenherzig, wie ihr vielleicht glaubt. Klar, wir haben die Pitar bereitwillig aufgenommen, sogar enthusiastisch! Aber das heißt nicht, dass sie sich frei auf unserer Heimatwelt oder den Kolonien bewegen dürfen oder dass die zuständigen Behörden sie nicht im Auge behielten.«
»Das hoffen wir.« Hathvupredeks Antennen zuckten abrupt vor. »Was ist das?«
Adjami sah in die gleiche Richtung wie das thranxische Ratsmitglied. »Ich sehe nichts.«
»Ich auch nicht«, gestand die Thranx ein, »aber ich rieche sie. Menschen. Sie kommen in unsere Richtung. Viele Menschen.«
Während Adjami den Blick über die Bäume schweifen ließ, konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken. »Bist du sicher, dass es keine Pitar sind?«
Hathvupredek erkannte seinen Sarkasmus nicht. Oder vielleicht beschloss sie einfach nur, ihn zu überhören. »Eure Körperausdünstungen unterscheiden sich deutlich voneinander. Der von euch Menschen ist… stärker.«
»Ja«, gab Adjami ein wenig zögerlich zu. »Diesen Unterschied haben wir auch schon festgestellt.« Nach wie vor starrte er in den Wald. »Ich frage mich, was eine große Gruppe Menschen hier draußen will? Forscher, die sich für die wilden Tiere im Reservat interessieren, würden das Koloniegelände doch eher meiden - jetzt da sie von der Existenz der Kolonie wissen.«
»Das stimmt.« Mit ihren Facettenaugen und ihren wedelnden Antennen versuchte Hathvupredek weiterhin zu ergründen, was sich ihnen näherte. »Wie du weißt, werden alle Besuche der Kolonie streng überwacht und sind nur anerkannten Mitgliedern eurer Wissenschaftsbehörden und Regierung erlaubt. Weder dulden wir willkürlichen Tourismus, noch ermutigen wir die Menschen dazu.«
Jetzt hörte Adjami ein immer lauter werdendes Knacken und Rascheln - wie von jemandem, der sich durch das Unterholz nähert. Adjami erhob sich aus dem Schneidersitz. »Wer könnte es sonst sein?«
Mensch und Thranx fanden die Antwort auf diese Frage gemeinsam heraus, als eine Gruppe von vielleicht dreißig Männern und Frauen zwischen den Bäumen hervortrat. Die grimmigen, mit Tarnfarbe beschmierten Gesichter wirkten ebenso wenig ermutigend wie die besonders wilden Blicke, mit denen einige der Neuankömmlinge sie bedachten. Ihre Tarnkleidung in Dschungelfarben passte zu ihrem offensichtlichen Bestreben, möglichst weitgehend mit dem Regenwald zu verschmelzen. All das war zwar beunruhigend, erschreckte Adjamijedoch nicht. Die
Weitere Kostenlose Bücher