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Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
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ihm zur Begrüßung die Hand. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich schätze, das gehört nicht wirklich zu Ihren Aufgaben.«
    »Sie haben Ähnlichkeit mit ihr, aber das wissen Sie bestimmt.«
    »Mein Vater sagt das manchmal.«
    Er blickte über die Reihen der Gräber am Ufer. Eine Amsel hüpfte von Stein zu Stein. »Sind Sie zum ersten Mal hier oben?«
    Sie nickte. »Ich war seit fünfzehn Jahren nicht mehr in Klammroth. Und noch nie auf dem Friedhof. Ich hab meinen Großvater kaum gekannt und   …« Sie führte den Satz nicht zu Ende, weil sie fand, dass es herzlos klingen würde, wie auch immer sie es ausdrückte. »Ich hatte nicht das Bedürfnis, bei seiner Beerdigung dabei zu sein.«
    Herzog sah sie an, als wüsste er genau, was sie meinte. »Wollen wir gleich rübergehen?«
    »Gern.«
    Er führte sie vom Friedhof auf einen Waldpfad, der in einem Bogen oberhalb der Stadt verlief. Trotz der Bäume konnte sie das Schäumen des Flusses hören, ein monotones Flüstern am Fuß der Hänge. Der Himmel wirkte zwischen den Ästen nicht mehr blau, sondern silbrig.
    »Auf diesem Weg hat sie Nele Teusner zum Tunnel getragen«, sagte Herzog.
    Nach einem Stück blieb er stehen und sah sich suchendum. »Ich komme manchmal immer noch hier rauf. Nicht mehr so oft wie früher, aber alle paar Monate.« Er deutete auf die Wurzel eines umgestürzten Baumes, dicht umwoben von Kletterpflanzen. »Da drüben hat sie mit Ihnen telefoniert. Wir haben das anhand der Abdrücke rekonstruiert.«
    Lily war überrascht, wie sehr sie dieser Gedanke berührte. Zögernd ging sie zu der Stelle hinüber, hockte sich hin und berührte mit der flachen Hand den Boden. Erst nach einer Minute dachte sie wieder daran, dass er sie beobachtete.
    »Tut mir leid.« Sie zog die Finger zurück. »Sie finden das wahrscheinlich albern.«
    Sein Lächeln sah traurig aus. »Sie haben keine Vorstellung, wie oft ich das Gleiche getan habe.«
    Sie erinnerte sich an seine Aussage in den Akten. Er war mindestens zweimal mit ihrer Mutter allein unterwegs gewesen, in diesem alten Haus hinter den Bergen. Für Lily hatte es schon damals wie ein Ort aus einem Märchen geklungen, und je älter sie wurde, desto unwirklicher erschien ihr dies alles. Die Orte, die Namen, sogar die Menschen. Es war beinahe ein wenig enttäuschend, Jan Herzog in Fleisch und Blut gegenüberzustehen. Als liefe man dem Jäger aus Rotkäppchen über den Weg, und er war eben doch nur ein gewöhnlicher Mann, keine Metapher, die so viel größer war, als ein Mensch es je sein konnte.
    Sie erhob sich. »Warum lässt Sie das Ganze nicht los? Weil Sie sie gekannt haben?«
    »Ich kannte sie nur ganz flüchtig. Aber hier gibt es immer noch einen Haufen ungeklärter Morde. Sternberg, der Arzt aus der Klinik, hat behauptet, der alte von Stille habe dahintergesteckt, aber der ist in derselben Nacht verschwunden wie Ihre Mutter. Seine Spuren waren überall im Hotelder Teusners, und eine Menge spricht dafür, dass tatsächlich er die beiden im Saal getötet hat. Im Keller seines Hauses haben wir ein paar alte Blutspuren gefunden, aber sie könnten von Gott weiß wem stammen, und es gab nirgends Leichen. Und erst recht kein Motiv. Das alles reicht nicht aus, um jemanden in Abwesenheit für schuldig zu erklären.«
    Sie wusste das alles. Möglicherweise hatte von Stille auch Theodora ermordet, vielleicht nach einem Streit. Patienten hatten bestätigt, dass die beiden ein besonders enges Verhältnis gepflegt hatten. Mittlerweile war das Institut längst verkauft worden und wurde von neuen Ärzten geführt. Eine Zeitlang hatte Sternberg im Zentrum der Ermittlungen gestanden, doch auch ihm war, von medizinischen Nachlässigkeiten abgesehen, nichts nachzuweisen gewesen. Warum er von Stille für den Mörder all dieser Menschen hielt, hatte er nie überzeugend begründen können.
    »Kommen Sie«, sagte Herzog, »bevor es dunkel wird.«
    Schweigend folgte sie ihm das letzte Stück durch den Wald. Als sich die Bäume lichteten, erkannte sie ihr Ziel.
    Die alte Trasse mit den Efeumauern war noch zu erkennen, aber das Tor war hinter einer Wand aus senkrechten Betonplatten verschwunden. Sie waren mit unbeholfenen Graffiti besprüht, allerlei unleserlichen Zeichen und wirren Mustern, als hätte man eine Horde Fünfjähriger mit Spraydosen darauf losgelassen.
    »Es war ein ziemlicher Akt, diese Platten den Berg raufzubringen«, sagte Herzog, während sie sich der Schneise näherten. »Am Ende sind sie mit einem

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