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Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
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aber nur, damit er nicht sah, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    Er schien zu ahnen, was in ihr vorging. »Ich wollte nicht, dass Sie das aufregt, tut mir leid.«
    »Nein, nein«, sagte sie rasch, »ich bin Ihnen wirklich dankbar.« Sie rieb sich durch die Augen und wandte sich ihm wieder zu. »Ist lieb von Ihnen, dass Sie daran gedacht haben.«
    »Wollen Sie noch zur anderen Seite? Zu Fuß können wir außen am Berg entlanggehen. Es gibt da einen Pfad. Er ist schmal und der Hang ziemlich steil, aber wenn Sie möchten, begleite ich Sie.«
    Sie überlegte kurz. »Würde es Ihnen was ausmachen,wenn ich allein gehe? Wenn Sie mir den Weg zeigen, schaffe ich das schon.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.« Sie konnte nicht mehr denselben Weg nehmen wie ihre Mutter, aber sie konnte parallel zum Tunnel an der Außenseite entlanggehen. Es war das Nächstbeste, und es fühlte sich richtig an.
    Sie verließen die Trasse und liefen an den Brennesseln entlang, bis sie zu einer Schneise im Unterholz kamen. Der Pfad führte von dort aus zwischen den Bäumen am Hang entlang, eine Stufe im Fels, nicht allzu gefährlich.
    Herzog fragte noch einmal, ob er sie nicht lieber begleiten sollte, und als sie höflich verneinte, sagte er, er würde hier auf sie warten. Sie habe ja seine Nummer, falls sie in Schwierigkeiten gerate, sich einen Fuß verstauche oder sonstwie Hilfe benötige.
    Sie dankte ihm mit einem Lächeln und machte sich auf den Weg.
    Fast zwanzig Minuten brauchte sie für die zweihundert Meter, und als sie die andere Seite erreichte, war die Sonne hinter den Bergkuppen untergegangen. Es war noch nicht dunkel, weil der Himmel so klar war, aber die Schatten hatten sich vertieft, und zwischen den Bäumen kroch trübes Grau hervor.
    Auch hier gab es ein Stück Fahrbahn, nur wenige Meter zwischen verrosteten Leitplanken. Der Rest war wie auf der Ostseite entfernt worden, Gestrüpp hatte den ehemaligen Straßenverlauf überwuchert.
    Weil es hier keine Mauern gab   – nur den Berg auf der einen Seite, den Abgrund auf der anderen   –, hatte sich kaum Laub verfangen. Der Asphalt war gut zu erkennen, sogar Teile der Mittellinie. Der Streifen verschwand unterden schweren Platten, mit denen man auch dieses Ende des Tunnels verschlossen hatte.
    Mitten auf den Beton hatte jemand eine schmale Gestalt gemalt, lebensgroß, aber aus groben Pinselstrichen wie eine Höhlenmalerei. Sie trug ein rotes Kleid und schien aus dem Tunnel zu treten, der dahinter als schwarzes Halbrund angedeutet war. Ihr Kopf war ein leeres Oval ohne Gesicht, und darauf brannten meterhohe Flammen wie auf einer Kerze mit viel zu langem Docht.
    Lily näherte sich dem Bild mit langsamen Schritten. Ihre Beine zitterten ein wenig, das mochte an der ungewohnten Kletterpartie liegen. Die Dämmerung schien alle Vögel aus den Baumkronen vertrieben zu haben. Jetzt lag Stille über dem Wald und dem versiegelten Tor zum Berg.
    Als sie vor der Malerei stehen blieb, klingelte ein Handy.
    Sekundenlang brachte sie keine Bewegung zustande, war so steif wie die Strichfigur auf dem Beton. Schließlich griff sie in ihre Jackentasche, berührte erst das eine Smartphone darin, dann das andere.
    Eines vibrierte. Ihr eigenes.
    Mit einem Aufatmen ging sie ran. Es war Herzog, der sich erkundigte, ob sie heil angekommen sei. Sie versicherte ihm, dass es ihr gut gehe und er nicht auf sie warten müsse. Er bestand trotzdem darauf.
    Sie beendete das Gespräch und trat einige Schritte zurück. Dann setzte sie sich im Schneidersitz auf den Asphalt, blickte zu dem Mädchen mit den brennenden Haaren auf und erwartete den nächsten Anruf.

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