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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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geschossen. »So wie auch mir.«
    Curro blickte Domingo an, hob die Augenbrauen, als erbitte er einen Rat ob solch unfassbaren Unsinns, atmete tief und brach dann in Gelächter aus, lachte, lachte und konnte nicht an sich halten, auch dann nicht, als ein paar graue Gestalten mit Kapuzen die Taverne betraten, zu trinken bestellten, ab und zu unauffällig herübersahen und sich schweigend an ihren Trinkbechern festhielten.
    »Für ein paar runzlige Kartoffeln, Tomaten und Bohnen«, rief Curro. »Das Christentum? Na, das nenne ich einen Handel! Herr Wirt, he, eine Tortilla! Mit Kartoffeln und Tomaten! Und obendrauf, auch wenn’s so recht nicht passt: Kakao! Greif deine teuersten Vorräte an – ich zahle mit Gott! Hast du gehört – mit Gott – hahaha!« Er lachte, dass sich die Balken bogen und die Schinken an der Decke in Schräglage gerieten, was Japón nicht wenig besorgte – abgesehen von den Gestalten in grauen Kapuzen, versteht sich.
    Der Wirt tat, als habe er nicht gehört, verschwand aber sogleich in die Küche.
    »Ich weiß nicht«, sagte Domingo, auf Curros Frage zurückkommend. »Vielleicht …«
    »Curro, du bringst uns noch in Gefahr. Uns alle drei«, wisperte Japón mit starrer Oberlippe wie ein Bauchredner.
    »… vielleicht doch eher Krankheit und Tod?«
    »Ja«, sagte Curro. »Das haben wir ihnen gebracht. Krankheit und Tod, Gefangenschaft und gewaltsames Sterben. Jeder weiß es.«
    »Er hat damit nicht ganz unrecht«, sagte Japón, sich nach einigem Schweigen überwindend, nicht zu laut allerdings und mit dem Rücken zu den Kapuzen. »Man hätte aufrichtigen Handel treiben sollen. Kartoffel gegen Kastanie. Möhre gegen Mais. Gott gegen Gott.«
    »Doch das würde bedeuten …«
    »Gott oder Tomate, das ist hier die Frage. Nicht wahr, ihr Philosophen?«, sagte der Wirt, als er mit einer braun bestäubten Tortilla wiederkam, schon in drei Stücke zerteilt.
    »Doch dies würde bedeuten«, fuhr Domingo unschlüssig fort, »… überhaupt, was für Götter betet – oder betete – man jenseits des Ozeans überhaupt an?«
    Curro pustete den wertvollen Staub von seinem Tortillastück. »Kann es denn schlimmer sein als bei uns?«, sagte er, woraufhin Domingo ihm sofort die Hand auf den Ärmel legte und laut hustete.
    »Dort soll man Menschen opfern«, flüsterte Japón.
    »Hier nicht?«, flüsterte Curro zurück und buchstabierte mit den Lippen und fast ohne Ton das Wort des Schreckens: »Autodafé. Drüben in Portugal. Jeden Monat.« Escarlati blickte vor sich hin und regte sich nicht.
    Schweigend aß man die Tortilla. Sie war schwer und roch fettig und fleischig, wenn nicht gar etwas verbrannt. Domenico wurde schlecht.
    »Mir ist der Appetit vergangen«, sagte er. Japón übernahm schweigend sein Drittel.
    »Auch ich bin ein Wilder«, sagte Curro, wieder ernst.
    »Und ich«, sagte Japón, etwas weniger ernst und mit vollem Mund, doch gleichzeitig mit feierlichem Samuraigesicht.
    »Ich nicht«, sagte Escarlati. »Leider.« Außer in meiner Musik, dachte er. Zählt das auch?
    Man schwieg noch ein wenig, trank und bemühte sich, die Kapuzenträger zu übersehen.
    »Ihr wolltet etwas erzählen, lieber Caballero Japón«, erinnerte ihn Escarlati, irgendwie schon resigniert. Würde es je dazu kommen?
    »Nur zu«, sagte Montoya, »ich halte die Klappe«, und Japón holte tief Luft, schaute undurchdringlich, weder böse noch freundlich.
    »Hasekura Rokuemon Tsunenaga und Imaizumi Sakau, Matsuki Shusaku, Nishi Kyusuke, Tanaka Taroemon – von dem stammen wir ab, wir, Opa, Papa und ich – und Naito Hanjuro, Sonahoka Kyuemon, Kuranojo, Tonomo, Kitsunai, Kyuji, die heißen jetzt alle nur noch Japón – sprich’s schnell nach«, deklamierte Japón unvermittelt und wie aus der Pistole geschossen. »Das sagte mein Großvater oft zu mir. Ja, ich erinnere mich genau. Ich saß auf seinem Schoß, ein kleiner Bub, und sprach’s nach. Seht, ich kann es noch!«
    »Wie, was? Sag das noch mal«, rief Curro.
    »Hasekura Rokuemon Tsunenaga und Imaizumi Sakau Matsuki Shusaku Nishi Kyusuke Tanaka Taro emon das sind wir Opa Papaundich und Naitohanjurosonahoka Kyuemon Kuranojo Tonomo Kitsu nai Kyuji dieheißenjetztallenurnoch Japón«, schnurrte Japón herunter, noch schneller als zuvor. »Das mussten wir als Kinder auswendig lernen. Ho! Es war ein Spiel, ein Spaß.«
    »Und was bedeutet dieser Spaß?«
    »Hört zu. Jawohl, jetzt erzähle ich euch die seltsame Geschichte unserer Familie, und ihr sollt die ganze Wahrheit

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