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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Daimyo, oder Don in eurer Sprache, Date Masamune. Dieser, was für ein Zufall, hat gerade Besuch von dem Franziskanermönch Luis Sotelo, einem gebürtigen Sevillaner, der in Japan weilt, um zu missionieren, mit geringem Erfolg allerdings. Übrigens wurde er am Ende seines Lebens – nun, wann auch sonst –, als er ein zweites Mal nach Japan kam, zu seiner völligen Überraschung selbst auf dem Scheiterhaufen verbrannt, und zwar wegen antijapanischer Umtriebe. Ja, ab und zu verkehren sich die Rollen von Opfer und Brandmeister einmal. Welche Ironie des Schicksals, nicht wahr?«
    »Pssst«, flüsterte Escarlati und sah sich um.
    »Doch so weit sind wir noch nicht«, fuhr Japón fort. »Graf Masamune und der Franziskanermönch Sotelo beschließen also, ein neues Schiff zu bauen und den Samurai Hasekura Rokuyemon Tsunenaga aus dem Königreich Voxu, welches dem Shogun unterstellt ist, als Botschafter nach Neuspanien zu entsenden – vorbei an den sagenhaften Inseln, versteht sich – und dann vielleicht sogar weiter bis an den spanischen Hof in Madrid und zum Papst nach Rom. Wir sprechen hier von einer Reise um mehr als die halbe Welt und über die größte bekannte offene Wasserfläche. Kein leichtes Unterfangen. Doch zwei Jahre später sticht tatsächlich die San Juan Bautista, die erste und einzige in Japan gebaute Galeone, in See, an Bord Pater Sotelo, General Viscáino sowie einhundertachtzig Japaner, darunter zwölf Samurai unter der Führung von Hasekura Tsunenaga.«
    »Samurai …«
    »Heißt Gefolgsmann, frei übersetzt. Oder auch Krieger, den alten Caballeros ähnlich, mit Schwertern bewaffnet und ihrem Dienstherrn, aber auch strengen Verhaltensregeln auf Leben und Tod verpflichtet.«
    »Edelleute.«
    »Ja, sagen wir so. Nun, die Inseln aus Gold und Silber lassen sich nicht blicken, und man erreicht, wieder nach schweren Stürmen, Acapulco an der Westküste Neuspaniens. Dort bleibt das Schiff zurück, und die Truppe reist über Land weiter, durchquert die Hochebene von Mexiko, vorbei an alten Städten, Vulkanen und Seen und besteigt im Osten ein zweites Schiff, die Galeone San José.«
    »Das hat dir alles dein Großvater erzählt?«
    »Das hat er mir erzählt und ich meinen Söhnen. Monate später erreicht die San José tatsächlich Coria del Rio in der Mündung des Guadalquivir. Endlich. Man ist in Spanien, dem mächtigsten Königreich der Welt. Die Besatzung wird feierlich empfangen. Natürlich ist dies ein außergewöhnliches Ereignis, man wird bestaunt und bewundert. Schließlich ist man sogar zu Gast im Alcázar und beim Erzbischof. Fremde, ernste Gesichter – ein Samurai, muss man wissen, hat einen ganz besonderen Gesichtsausdruck für Zeremonien.« Japón blickte plötzlich grimmig um sich, mit zusammengebissenen Zähnen und herabgezogenen Mundwinkeln, und gab einen knurrenden Laut von sich, wobei ein Hund von der Türschwelle verblüfft zu ihm aufblickte, als habe er diesen Gast bisher immer falsch eingeschätzt. »Sie erregen überall gewaltiges Aufsehen – geht selbst mir ja manchmal noch so; zugegeben, Domingo, ich übertreibe ein wenig. Und nicht nur die Gesichtszüge, sondern auch die Kleidung, die Sprache, die Schrift, die Schwerter, die Bräuche, selbst die Taschentücher aus Papier, in welche die Samurai sich schnäuzen – dies war und ist hier, wie ihr wisst, unbekannt – werden wie Reliquien von der Straße aufgelesen. Gerade diese Kleinigkeit hat Großvater immer wieder erzählt und dabei gelacht: Ja, man habe die Schnäuztücher wie Blumenblüten hinter sich geworfen, drohend umhergeblickt und sich dabei köstlich vergnügt.«
    »Oftmals erinnert man sich am besten an das scheinbar Nebensächliche«, warf Escarlati ein und lachte.
    »Das ist wahr. Über die Verhandlungen der großen Leute, also zwischen Tsunenaga, Bruder Sotelo, dem Erzbischof und den Stadtvätern erfuhren die untergeordneten Reisenden, auch mein Großvater also, einer der Samurai aus Voxu, natürlich nichts.«
    »Was weiß man je von den Mächtigen«, sagte Curro und schwenkte den dunkelroten Halbmond aus Wein am Boden seines Glases im Kreis.
    »Nicht viel natürlich. Doch meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Die Reise geht weiter – man fährt tatsächlich nach Madrid, wo man um die Weihnachtstage 1614 bei Eis und Schnee eintrifft. Unsere Samurai müssen sich ob des Wetters wie zu Hause gefühlt haben. Dort hat man eine Audienz beim König, doch damit immer noch nicht genug: Weiter geht’s, nach Rom zum

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