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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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anmerken.
    »Will man die Freiheit mit Füßen treten, dann braucht man feste Stiefel«, raunte Montoya den beiden zu – ja, er war beschwipst, sie rochen es. »Das ist klar. Doch sagt man auch: Trägt einer eine Kapuze auf den Ohren, dann sprich doppelt so leise, denn gerade der hört wie ein Fuchs … Wusstet Ihr übrigens, dass die Wilden in den Americas, als Cristóbal Colón mit seinen Mannen an Land ging und sie entdeckte – ihr wisst schon, vermeintlich in Indien, haha, dieser Versager –, dass jene Wilden verwundert die Stiefel betrachteten, die fortan auf ihrem Land herumtrampeln sollten und dachten, alle Weißen hätten verkrüppelte Füße, deren sie sich schämten?«
    »Ja, ja«, sagte Japón leise – nun war es an der Zeit, den Gitano ein wenig zu bremsen.
    »Meine Vorfahren, die zogen auch barfüßig und frei durchs Land«, fuhr Curro fort. »Hab und Gut am Leib. Waren nirgends und überall daheim. Und ich darf nicht einmal das Stadtgebiet von Sevilla verlassen. Das soll frei sein?«
    »Psst! Wenigstens freier als die da«, sagte Japón, zeigte nach draußen, meinte es ernst und als Wink mit dem Zaunpfahl.
    Ein Tross Gefangener marschierte vorbei, klirrend, im Gleichschritt zwar, doch nicht aus Ordnungssinn, sondern weil die Füße eng mit einer schweren Kette gleichgeschaltet waren. Die Sträflinge trugen rote Hosen und Jacken, die ihnen am Leibe schlotterten.
    »Deshalb«, sagte Montoya, genauso ernst wie zuvor Japón, »immer den Mund halten. Sonst …«
    »Rot – das sind Lebenslängliche, Mörder zumeist. Die anderen sind blau«, erklärte Japón.
    »Rot wie Blut, ja, das passt«, sagte Curro, während Escarlatis Ohren die elende Truppe verfolgten: Ein komplexer Rhythmus entstand da nämlich, pflanzte sich gleichmäßig durch den Tross fort wie Schläge unsichtbarer Geißelruten, über den Gefangenen von Gott geschwungen.
    »Na, ob da nicht auch ein paar Unschuldige dabei sind«, murmelte Escarlati und dachte an die napoletanische Justiz.
    »Nicht zu knapp. Darauf könnt Ihr wetten«, sagte Curro.
    Doch Escarlati interessierte sich für die musikalischen Implikationen. Das Rasseln der Ketten, das wird man mit arpeggierten Dissonanzen in tiefer Lage darstellen müssen. Eine Melodie dazu? Sicher, doch welche? Hier singt niemand freiwillig – also muss man eine erfinden, ein Klagelied, folglich absteigende Linien … Erst eine, dann noch eine und immer mehr, wie die einsamen und doch zusammengeschmiedeten Männer, mit Dissonanzen zwischen den Stimmen, aber doch aus einem Guss. Der Rhythmus dazu: ein Marsch, das ist klar, doch ein langsamer, zögernder, wie ein Trauermarsch … Aber das Genre muss gänzlich unklar bleiben, denn solange man lebt, gibt es auch Hoffnung, also … Doch kann Musik überhaupt etwas bewirken?
    »Wo ist die bessere Welt?«, seufzte Montoya. »Ist sie dort, wo du herkommst, Japón? Oder du, Domingo?«
    Escarlati schüttelte den Kopf. »Das glaube ich kaum. Du kennst unsere Soldaten nicht.«
    »Oder doch nur im Jenseits, wie die Pfaffen sagen? Oder gar bei den Wilden? Ja: bei den Wilden! Warum auch nicht?«
    Escarlati zuckte mit den Schultern, und Japón wehrte mit den Händen wieder ein Möbel ab: bessere Welt? Damit habe ich nichts zu tun.
    »Ist euch denn überhaupt klar«, flüsterte Curro, das Thema wechselnd, »was es ohne diese … Wilden bei uns alles nicht gäbe?«
    »Keine Tomaten, keinen Mais; das weiß doch jedes Kind«, sagte Japón.
    »Mais schmeckt mir sowieso nicht«, sagte Domingo. »Das ist etwas fürs Vieh.«
    »Mag schon sein«, fuhr Montoya fort. »Und was äße man anstelle von Tomaten?«
    »Möhren. So wie früher.«
    »Keinen Salmorejo mehr?«
    »Wohl nicht.« Japón blickte betrübt. Er liebte Salmorejo.
    »Kartoffeln?«, fragte Curro.
    »Kastanien.«
    »So wie früher«, fügte Domingo hinzu.
    »Wir hätten auch keinen Kakao.«
    »Den kann sich sowieso niemand leisten.«
    »Du schon, Domingo«, sagte Curro. »Bring uns mal was mit.« Escarlati nickte.
    »Tabak«, sagte Japón mit erhobenem Finger.
    »Wir würden etwas anderes rauchen. Welke Blätter, Schuhsohlen, Myrrhezigarren. In der Not ist der Mensch erfinderisch.«
    »Du irrst dich«, wandte Japón ein. »Wir würden überhaupt nicht rauchen.«
    »Quién sabe.« Curro senkte die Stimme. »Doch habt ihr auch darüber nachgedacht, was wir den … Wilden gebracht haben – als Gegenleistung für ihr Gemüse sozusagen?«
    »Das Christentum«, sagte Japón fröhlich und wie aus der Pistole

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