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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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herabsanken, immer seltener, immer seltener – ein Spiel, das man lange fortführen kann. Wie von selbst wird dann das Publikum still und lauscht. – Noch einer? Ja. Noch einer? Ja. Noch …? Nein.
    Der letzte Ton war verklungen.
    »Muy, muy bien«, sagte Montoya in die Stille hinein, einfach, wie ein Dorfschullehrer, der ein überragendes Talent erkennt.
    »Naja«, winkte Escarlati ab. »Es ist ein Anfang. Das sind alte Stücke. Ich will mich ändern. Freier werden.«
    Schon hatten sich die Kinder des Instruments bemächtigt. Zwei von ihnen hackten wild auf den Tasten herum, ein Dritter strich nachdenklich über den Saitenchor im Inneren, mal mit dem Daumen, mal mit dem Nagel des Zeigefingers.
    Die erwachsenen Zuhörer bedankten sich ernst, zogen bewundernd die Mundwinkel herab und klopften Escarlati auf die Schulter.
    Er setzte sich etwas abseits auf einen Stein, bekam einen Becher mit Aguardiente in die Hand gedrückt und trank von dem teuflisch starken Schnaps. Seine Aufregung hatte nachgelassen, und Escarlati fühlte sich, als habe er eine wichtige Mutprobe bestanden – auf irgendeine Weise hatte das hier mit Freundschaft zu tun –, obwohl man sich gar nicht um ihn kümmerte, ganz im Gegensatz zum endlosen Händeschütteln und Gratulieren nach einem Vorspiel am Hof. Warum empfinde ich jenes als verlogen, überlegte er – und dies hier als ganz normal?
    Die Männer standen in Gruppen zusammen, plauderten, tranken und sahen immer wieder schüchtern zu ihm herüber.
    Inzwischen hatte sich der Gitarrist vorsichtig in eine neue Melodie hineingezupft, wurde durch leise klatschende Hände mit Rhythmus versorgt, und bald übernahm Montoya die Melodielinie. Diesmal alles ruhig und verhalten, wie Nachdenken, wie ein Nachklang des Konzerts auf dem Spinett und wie in nachträglicher Sorge, dieses nicht zu übertönen.
    Escarlati erinnerte sich an einen Höhepunkt seines früheren Lebens, und zwar an den Wettstreit mit Händel, damals, vor vielen Jahren in Venedig. Jener hatte die Disziplin Orgel für sich entschieden – das Laute, Donnernde war Domingos Sache nie gewesen –, doch war er am Cembalo der Bessere gewesen – und das hatte bedeutet: der Beste! Denn wer sonst auf der Welt …
    Ach! Das war lange her.
    Dies hier ist auch ein Wettstreit, aber ein friedlicher, dachte Escarlati, als er den Gitarrenklängen und Curros Gesang lauschte.
    Sie versuchen, mein Gespinst auf dem Cembalo mit ihren Mitteln nachzuformen, so wie ich an Montoyas Harmonien herumtaste und seine Linien nachschreibe. Ob man beides, beide Welten, zu einer neuen Legierung verschmelzen könnte? Ja, warum denn nicht?
    Er blickte sich um. Japón winkte und verabschiedete sich. Montoya kam herüber, auch mit einem Becher in der Hand, lehnte sich neben Domingo an die verfallene Mauer und lächelte ihm zu.
    »Da war«, sagte Escarlati zögernd, »eine Frau, rot gekleidet. Wo ist sie hin? Neulich schon hatte ich sie gesehen …«
    »Candela«, sagte Curro, ohne zu zögern. »O ja. Das ist eine schöne Frau. Kommt und geht, wie sie will. Meine Schwester.«
    »Candela.« Escarlati war erstaunt. »Ist sie allein? Sie wohnt bei dir?«
    »Candela wohnt, wo sie will, und dort so lange, wie sie will. Man kann sie nicht festnageln. Niemand kann das. Ja, manchmal wohnt sie bei mir. Allein ist sie nie.«
    Domingo dachte an den Blick, den sie ihm geschenkt hatte, und hätte gerne mehr über sie erfahren, doch Montoya sprach nun über Escarlatis Spiel: »Deine Musik ist hart und klar wie Wasser. Wie machst du sie? Du schreibst alles auf?«
    »Ja – allerdings heißt das nicht, dass ich die Stücke immer gleich spiele; dies kommt ganz auf meine Stimmung an. Doch meine Schüler halten sich an die Noten … die sollen ja etwas lernen …«
    »… und könnten daran nichts verbessern, änderten sie etwas, nicht wahr?«
    »So ungefähr.«
    »Und – warum sind die Stücke so kurz? Das ist das Einzige, was ich nicht verstehe … Sie sind inwendig so reich, so voller Gestalten und Ideen, und vieles davon erscheint nur ein einziges Mal. Warum?«
    Domingo dachte nach. Wie kann man das erklären? Ja, war er sich überhaupt selbst darüber im Klaren?
    »Lasst mich so sagen – das ist aber nur ein Bild, und ich weiß nicht, ob dieses wirklich zutrifft: Es gibt Welten, über denen darf es niemals Nacht werden, sonst zerfallen sie zu Staub«, sagte Escarlati. »So ist das, glaube ich.«
    Curro verstand nicht. Natürlich nicht, wie sollte er?
    »Ein Reich, über dem die Sonne

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