Klang des Verbotenen
zurecht.«
So.
Er griff in die Tasten, begann mit der neuen Sonate für Maria Barbaras nächste Unterrichtsstunde, jene mit den schweren Sprüngen in der linken Hand. Noch nie war diese Komposition öffentlich erklungen: eine Uraufführung also und dazu im Freien, auf einem schäbigen Instrument zwischen Weinflaschen, Hunden, schwarzhaarigen Männern und Kindern. Wer hätte das gedacht!
Wie eine Hühnerschar pickten die Finger seiner Linken die weit verstreuten Klänge – ein tiefer Basston, dann der hohe Akkord dazu, wieder ein tiefer Basston und so weiter. Die Rechte wand sich wie eine Girlande, einmal über der Linken, dann wieder darunter. Die verzahnten Stimmen jagten einander auf Biegen und Brechen und schossen rasend schnell dahin. Andauernd tauschten die Hände ihre Plätze wie jene eines Jongleurs, kaum durchschaubar, sodass man meinen könnte, es sei noch eine dritte, magische Hand im Spiel – dieser Effekt war natürlich beabsichtigt.
Die Anwesenden hatten nicht viel Übung darin, Publikum zu sein. Einige gossen sich zu trinken ein und setzten sich auf den Boden, andere steckten ihre Nasen fast in das Spinett und sahen zu, wie die Reiter im Inneren des Instruments tanzten, synchron mit Escarlatis Fingern. – Ob die Zuschauer dieses Ballett verstanden?
Doch es war vollkommen still, und so klang die Musik über den ganzen Platz, aus der Nähe gehört wie das Rauschen eines Wasserfalls, aus der Ferne wie ein feines, an- und abschwellendes Zirpen.
»Mehr davon«, sagte Curro, nachdem Escarlati geendet hatte, und ihm wurde klar, dass die Sonaten, verglichen mit den Improvisationen der Gitanos, sehr kurz erschienen; er würde mehrere Stücke aneinanderhängen müssen.
»Meine allergrößte Hochachtung«, sagte Japón, der ruhig in einer Ecke stand und sein Kinn sinnend in die rechte Hand gelegt hatte, als erwäge er, die Musik zu kaufen.
»Klingt wie kleine, gefährliche Insekten«, sagte der Gitarrist. »Das gefällt mir. Ssss ….« Er fuhr in der Luft eine unsichtbare Schlangenlinie entlang.
Als zweites Stück wählte der Meister eine langsame Komposition, eine lange, traurige Melodie in Moll, die er so begann, wie er sie einst aufgeschrieben hatte – das war noch in Italien gewesen –, die Linie dann aber mehr und mehr variierte, verzierte und beschleunigte, bis ein Sturm von Arpeggien und Skalen über der unverrückbar fortschreitenden Linken dahintobte.
Immer mehr Menschen traten hinzu, scharten sich um den Musiker und versuchten, einen Blick auf die Quelle dieser ungewöhnlichen Musik zu erhaschen.
Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Escarlati die rot gekleidete Frau wieder, die ihm bei seinem ersten Besuch bei den Gitanos aufgefallen war, als sie sich zum Tanz bereit gemacht hatte – kurz danach hatten ja die Barbaren den Platz gestürmt.
Domingos Hände spielten weiter, die rechte schnell und wild, die linke ruhig, während er die geheimnisvolle Frau beobachtete – so bestand er nun tatsächlich aus drei Aufmerksamkeiten. Mit einigen Gefährtinnen war die Gitana aus dem Hintergrund hervorgetreten. – Wann, das war Escarlati entgangen. Da stand sie, halb im Dunkel und halb im Licht, als wisse sie, dass die Schatten ihr schönes Profil wie auch ihre reizende Gestalt vollkommen zur Geltung brachten. Ihre Augen wanderten von Montoya zu Escarlati, und für einen Moment durfte er tief in ihren schwarzen Blick eintauchen. Dann sah sie wieder weg – und selbst er, so gut er das Cembalo auch beherrschte, musste ab und zu auf den Tasten nach dem Rechten sehen.
Als er wieder aufblickte, war sie verschwunden.
Escarlati spielte noch ein drittes, viertes und fünftes Stück: Das letzte war jenes, mit dem die Prinzessin die schnellen Tonwiederholungen geübt hatte. Das Tastenholz klang wie eine Trommel, als Domingo das Spinett bearbeitete, wobei er die Sonate noch weiter erschwerte, indem er die rasend schnellen Repetitionen in beiden Händen spielte und dabei dennoch die Akkorde nicht vernachlässigte. Auf diese Weise bekam die Klangwelt des Stückes Ähnlichkeit mit Gitarrenmusik, seine Arpeggien beschworen das Rasgueado geschmetterter Gitarrenakkorde. Aus irgendeinem Grund – wollte er Bescheidenheit signalisieren? – schien Escarlati allerdings ein rauschender Schluss nicht passend zu sein, und so ließ er die Toccata langsam ausklingen, indem er eine improvisierte Coda anfügte, in der sich das Prasseln der Töne nach und nach beruhigte, bis nur noch einzelne Tropfen auf das Instrument
Weitere Kostenlose Bücher