Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
Vom Netzwerk:
dasselbe. Ich hatte wieder mit der Melodie begonnen, die ich nach Eurer Art zu variieren versuchte. Aber eingeschlafen ist er nicht.«
    »Wer hätte das gedacht!«, rief Montoya. »Der König von Spanien hört unsere Musik! Unsere geliebte Majestät kann nicht schlafen und lauscht der Musik ihrer Gitanos!«
    »Na, na«, winkte Escarlati ab. »So weit sind wir nun noch nicht.«
    »Pssst«, flüsterte Japón, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Nun muss er nur noch tanzen«, schrie Montoya in die Runde, »und dann …« – hier senkte er die Stimme zu einem Flüstern und beugte sich über den Tisch – »… eines unserer Mädchen vögeln. Mindestens eines, und schon gehört er zu uns. So einfach ist das.«
    »Was nicht stimmt«, sagte Japón.
    Diese Candela ist eine schöne Frau, dachte Escarlati.
    »Übrigens hätten wir gerne noch die Moral zu deiner Geschichte …«, sagte Curro zu Japón, glücklicherweise das Thema wechselnd.
    »Die Moral?«
    »… vom Einsiedler und dem kalten Ozean – wie geht sie weiter? Schieß los!«
    »Wirklich? Herr Montoya? Herr Escarlati?«
    Nie sprach Japón die Freunde mit Vornamen an, und er selbst schien nicht einmal einen zu haben.
    »Ja!«
    »Ja.«
    »Wo war ich stehen geblieben?«
    »Meer. Eis.«
    »Hunger.«
    »Bären.«
    »Richtig. Ihr erinnert Euch. Fein. Das Eis ging also zurück, und unsere Bären warteten auf die Ankunft der Lachse, die auch bald die Sturzbäche hochsprangen. Lachse, das sind große, silberne Fische. Sehr wohlschmeckend. Im Frühjahr schwimmen sie die Flüsse und Bäche hinauf, um zu laichen.
    Der Einsiedler sah zu, wie sich die Bären an den Bächen aufstellten, in die Fluten fassten, mit jedem Griff der Tatzen einen Fisch herausholten und die Happen verspeisten, elegant, einen nach dem anderen, bis ihnen fast die Bäuche platzten. Unser alter Mann aber war hungrig, denn der harte Winter hatte alle seine Vorräte aufgezehrt. Und so dachte er sich, als er die Bären beobachtete: Das kann ich auch. Er stellte sich ebenfalls an einen der Bäche, etwas abseits von den großen Tieren natürlich – obwohl er sowieso nur noch aus Haut und Knochen bestand –, und begann zu fischen. Das Wasser war eiskalt, doch wieder und wieder folgten seine Augen einer der glitzernden, zappelnden Silhouetten, die um seine Füße huschten. Mal für Mal griff seine Hand so schnell wie möglich danach, aber vergebens, vergebens und abermals vergebens.
    »Das ist nicht so einfach, wie es aussieht«, murmelte er und beschloss, die Bären genauer zu beobachten. Wie machen sie es nur, dass kein Griff je danebengeht? Beinahe sieht es so aus, als sprängen ihnen die Fische freiwillig vor die Krallen. Welche Geschicklichkeit!
    Es ist sicher nur eine Sache der Übung, sagte sich der Mann. Die Bären fischen seit Jahren, Jahrzehnten, ja seit vielen Generationen. Es liegt ihnen im Blut, ist ihre Natur. Ich muss nur so lange üben, bis dies auch bei mir der Fall ist.
    Doch soviel der Einsiedler auch übte, sosehr er sich abmühte, es gelang ihm einfach nicht, einen Lachs zu erhaschen. Mit wachsendem Neid betrachtete er die Bären zu seiner Rechten und Linken, sah zu, wie sie sich die Bäuche vollschlugen, ohne dass der Strom der Fische dadurch abgenommen hätte. Stunde für Stunde stand der Alte im Wasser und versuchte, die geschmeidigen Bewegungen der Bären nachzuahmen, doch es half alles nichts. Wenn er seine Füße im Eiswasser nicht mehr spürte, humpelte er an Land und wartete, bis das Blut wieder in die Zehen schoss, ein schmerzhafter Moment. Dann stöhnte er auf und machte sich wieder an die Arbeit.
    So ging es Tag für Tag. Was hätte er auch sonst tun sollen? Er hatte nichts mehr zu essen und wurde immer dünner und schwächer. Keinen einzigen Fisch hatte er gefangen, und doch strotzten die Gewässer vor Leben.
    Mittlerweile war der Alte dem Hungertod nahe und auch der Verzweiflung – ja, vielleicht über diese schon hinaus, war ihm doch alles einerlei geworden; und dennoch ging er weiter seiner Beschäftigung nach, ohne Hoffnung und wie halb im Traum.
    Doch siehe da, eines Morgens griff er zum tausendsten Mal, schon gänzlich abwesend, in die Flut – und plötzlich umfasste seine Hand einen glitschigen, zappelnden Lachs, ließ diesen nicht mehr los, so überrascht, ja erschrocken er auch war, griff schnell mit der zweiten Hand nach, biss in den Fisch wie in ein lebendes Brot und schluckte das Fleisch in Brocken herunter. Er hatte es geschafft! – Und dieser war

Weitere Kostenlose Bücher