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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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dachte Escarlati.
    »Kein Spion weit und breit«, stellte Montoya fest. »Es ist noch einmal gut gegangen.«
    So blieb weiterhin offen, ob die Bürger von Sevilla Gott vergaben für die Fehlkonstruktion von Welt, in die er sie – zumindest der Meinung des Predigers nach – gesetzt hatte; ja, war ihnen nicht in der Tat ein Segler für die Fahrt ins Paradies versprochen gewesen, und bekommen hatten sie eine Galeere, ein Sklavenschiff?
    »Vielleicht hat der Prophet ja gar nicht recht«, sagte Japón, eine seiner typischen Bemerkungen – was sollte das nun wieder?
    Escarlati aber beschäftigte sich noch mit der Geschichte von Einsiedler und Fisch, das heißt, mit der Frage, was sie denn nun zu bedeuten hatte.
    »Japón«, bat er, »verratet mir bitte den Sinn Eures Gleichnisses – was habe ich da missverstanden?«
    »Du hast die Angelegenheit nur aus einer einzigen Perspektive betrachtet«, erklärte Japón. »Nämlich aus derjenigen der Menschen. Typisch für … euch.«
    Escarlati überhörte das und verstand immer noch nicht, worauf Japón hinauswollte. Auch Montoya nicht.
    »Es gibt auch noch die Perspektive der Bären«, sagte Japón nach einer Pause. »Und auch diejenige der Fische. Doch jene wollen wir Menschen nicht sehen, obwohl nur alle zusammen ein Ganzes ergeben; und erst auf diese Weise kann sich der Sinn unserer Geschichte erschließen, der in Wirklichkeit folgender ist: Zu einem bestimmten Zeitpunkt, als die Fische erkannten, dass der Alte ohne ihre Hilfe hungers sterben würde, fügten sie sich in das Unvermeidliche, oder besser in ihr Schicksal, und übernahmen – zumindest einige von ihnen – die Rolle, die ihnen von nun an zugedacht war: Beute sein. Opfer war für sie das neue Gebot. Ihr seht, alles Lebende hängt miteinander zusammen. Alle Wesen stehen miteinander in Beziehung.«
    »Das glaubst du wirklich?«
    »O ja. Es ist so. Denkt ihr, ein Tier – und noch dazu ein so behändes wie ein Lachs – ließe sich ohne Grund fressen, einfach so? Dann seid ihr wohl auch der Meinung, die Früchte wüchsen zufällig auf den Bäumen? Es sei nur ein glücklicher Zufall, dass man Orangen und Tomaten essen kann?«
    »Alle Lebewesen sind miteinander verbunden? Auch zum Beispiel … Stierkämpfer und Stier?«
    »Zweifellos. Nur ist diese Beziehung eine unnatürliche, denn die eine Kreatur missbraucht den Schmerz der anderen für ihre Eitelkeit. Dies hat der Mensch so gemacht, doch der Stier weiß darum, o durchaus, und empfindet vielleicht sogar Mitleid mit dem Töter, der doch selbst so viel Angst hat zu sterben; und er, der Stier, zeigt dem Menschen, wie es geht, vergibt ihm, spielt mit und opfert sich auf.«
    Die beiden Zuhörer sannen über Japóns Erzählung nach, die nun wirklich zu Ende war und keine weitere Wendung mehr nehmen würde.
    »Der Mensch kommt in deiner Geschichte nicht besonders gut weg«, sagte Montoya.
    »Nein«, antwortete Japón. »Sollte er das denn? Seht euch um … Wer ist sich selbst so fremd wie wir? Will der Vogel vielleicht ein Fisch sein? Die Grille ein Hund?«
    »Das ist die Erbsünde«, murmelte Curro, »das Grauen seit Anbeginn der Zeit«, und blickte um sich, als schwirrten Geister durch die Luft. »Seitdem ging alles schief. Und das ist schon sehr lange her.«
    Japón lachte, was bei ihm selten vorkam. »Der Mensch, könnte man also sagen«, sprach er, »ist die Missgeburt aller Lebewesen.«
    »Sieh an«, sagte Curro vergnügt, »unser Herr Ersatzpapst!« Doch der, Papst oder nicht, ließ sich nicht beirren. »… Aller Lebewesen! Denkt an die Indios, die Schwarzen, die Sklaven. Was wir ihnen zufügen. Ja, an uns selbst – o doch – wie wir selbst miteinander umgehen … Und sollte dem nicht so sein, so ist doch gewiss der Weiße die Missgeburt aller Menschen, denn …«
    »Psst«, sagte Domingo.
    »Denn was haben wir den anders Gefärbten nicht alles angetan, wobei ich gar nicht von mir reden will – bin ja selbst gelb schattiert, stimmt’s? -Ja, auch ihr, trinkt ihr nicht Schokolade, raucht ihr nicht Tabak? Und wer muss dafür schuften?«
    »Darüber haben wir schon gesprochen«, flüsterte Escarlati.
    »Und der Mann dann die Missgeburt unter den Weißen«, warf Curro ein, um das Argument noch weiter zu verschachteln. »Sieh sie doch an, die wunderbaren Frauen und dann uns Männer, unsere Stachelbeine in Sandalen …«
    »Doch dort drüben«, sagte Domingo, und zeigte auf ein hässliches, dickes Weib, das sich einen Weg über den Markt bahnte, dahinter ihr Mann

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