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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Hammerflügels beugte wie über eine Vitrine. »Seht doch: Hier stößt die Taste einen Hebel nach oben, dort löst sie gleichzeitig den Dämpfer, da schleudert jener Hebel den Hammer in die Höhe, worauf das untere Holz niederkippt – da! – um den Hammer endgültig freizugeben, der nach dem Anschlag selbsttätig, nur durch die Schwerkraft genötigt, zurückfällt. Und dies alles 56 Mal!«
    »56 … so … so viele Tasten«, stotterte Escarlati, noch verstört durch der Prinzessin Verhalten.
    Sie scheute seinen Blick nicht, doch er war betreten, blickte sie kurz an und dann wieder weg, schlug im Stehen einige Töne an, sah die lederbezogenen Hämmer von unten gegen die Saiten pochen, wie spiegelbildlich, als läge ein Zymbalspieler unter dem Instrument und schlüge von dort die Saiten.
    Domingo verstand: Niemals mehr wird man darüber sprechen. Es ist nichts geschehen. Da empfand er mehreres zugleich: war einerseits erleichtert, andererseits beschämt – ihre Größe hatte er unterschätzt –, spürte aber auch einen stechenden Schmerz, denn der Kampf zwischen Verstand und Hoffnung war doch noch nicht zur Gänze ausgetragen gewesen, und nun erst wurde ihm alles klar, begriff er sich als weggeschoben, sah, dass die Prinzessin, dieses wunderbare, reizende Mädchen, ihm entrissen blieb und bleiben musste.
    »Natürlich. Es hat so zu sein. Was dachte ich?«, murmelte er zu sich selbst, und Maria Barbara hörte ihn nicht – oder doch?
    Sie blieb distanziert und erkundigte sich nach der Konzertstunde, die bald beginnen sollte. »Was werdet Ihr spielen? Bedenkt, nicht nur die königliche Familie wird anwesend sein, sondern auch Gäste von draußen. Etwas Fröhliches und doch Festliches wäre schön. Und nicht zu lang!«
    Er nickte. »Fröhlich, festlich, nicht zu lang. Jawohl.«
    »Gilt?«
    »Gilt.«
    »Ich freue mich.«
    Sie lächelte, trat zurück, winkte zwei Dienern, die ebenfalls unbemerkt eingetreten waren, und diese öffneten die Flügeltüren des Salons und begannen, Stuhlreihen zu arrangieren, im Hintergrund, etwas erhöht, für die königliche Familie, davor, sorgfältig abgestuft, für wichtige bis weniger wichtige Gäste und draußen im angrenzenden Patio für die übrigen, aus der Stadt eingeladenen Besucher.
    Escarlati spielte sich ein, legte im Wechsel auf- und absteigende Skalen über die Tastatur, gleichmäßig, wie ein Junge mit seinem Stecken einen Zaun entlangfährt.
    Das Rauschen der Gäste drang herüber. Die ersten, jene, die sich wirklich für Musik interessierten oder gar begeisterten, suchten sich die günstigsten Plätze aus, was besonders jenseits der Flügeltüren von Bedeutung war, wollte man den Meister nicht nur hören, sondern auch sehen.
    Als Domingo den Kopf über die Klaviatur erhob, entdeckte er den Freund Japón, der ihm zuwinkte und dann wieder im toten Winkel verschwand. Also hatte auch dieser eine Einladung ergattert – nun, seine Familie war ja auch, wenn nicht berühmt, so doch ein stadtbekanntes Kuriosum.
    Candela stand weiter entfernt in der Tiefe des Raumes, im Gespräch mit einem großen, dunkel gekleideten Mann, dessen schwarzer Umhang durch violette und rote Borten aufgelockert war – zweifellos ein geistlicher Würdenträger. Sie lächelte, hatte das papierene Maskengesicht sinken lassen, dessen Mund und Augen nun kopfunter lächelten, schwarz und hohl, wie in eine Fliegenklatsche geschnitten.
    Der Mann sprach ernst und mit gesenktem Haupt auf sie ein; vielleicht sagte er gerade Wichtiges, oder aber er hatte die Augen günstig über Candelas Brüsten in Stellung gebracht – oder beides. Ihr Kleid war eng geschürt, um den Hals und tief hinab weit geöffnet, der Busen darin dunkel und ebenmäßig.
    Auch Montoya war da, wiederum weiter im Hintergrund, und grinste Domingo zu, verschwand dann, ein leeres Glas in der Hand.
    Noch ein paar Augenblicke.
    Escarlati hatte seinen Platz am Klavier geräumt, um die Probe nicht nahtlos in das Konzert übergehen zu lassen, und stand an die rückwärtige Wand gelehnt, unscheinbar trotz der bunten Livree, sich konzentrierend und von niemandem gestört, während das Publikum in kleineren und größeren Gruppen herbeiströmte und Saal wie auch Patio sich füllten.
    Die Königsfamilie war vollzählig, und das festliche Ereignis, nämlich die Einweihung des ersten Klavieres auf spanischer Erde, konnte beginnen.
    Escarlati trat auf, blickte wie kurzsichtig in die Runde, war derart viele Menschen nicht mehr gewohnt, versuchte er doch

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