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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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bleiben müssen in ihrer … Grobheit und Volksnähe – zweifellos meisterhaft, ja mehr als das, grenzt es nicht sogar an Hexerei? Als hättet Ihr andere oder gar mehr Gliedmaßen als unsereins: drei Hände vielleicht, eine davon verborgen in der Livree?«
    Prinz Fernando lachte schrill. Maria Barbara schüttelte den Kopf, und er verstummte.
    »Wie schnell sie ineinandergreifen«, fuhr der Geistliche fort. »So schnell, dass sich ihre Bahnen in der Luft verwischen! Trotzdem verwirren sie sich nicht, sondern nur unsereins, die Zuschauer. Ja, die Zuschauer und nicht die Zuhörer , denn Ihr zielt auf äußere Effekte und nicht in das Innere, nicht in die Seele. Höchst eindrucksvoll dennoch, ganz wie ein Gaukler auf dem Markt – versteht mich nicht falsch –, der seine Bälle in die Höhe wirft und einem damit Augen und Sinne täuscht – oder auch der Taschendieb, der sich schneller als ein Blinzeln etwas aneignet, das ihm nicht gehört und dann einem anderen fehlt.«
    »Wem sollten meine übergegriffenen Terzen fehlen? Es gibt genügend davon«, murrte Escarlati, der die Reichweite der Anspielung nicht verstanden hatte, und schüttelte das Haupt.
    Rávago fuhr fort. »Das ist wahrlich Kunst, weltliche Kunst in höchster Vollendung. Ob es allerdings …«
    »Wir haben verstanden«, unterbrach der König, den es dürstete, »und glauben nicht an Hexen, sondern an Gott – und zwar alle Anwesenden«, wozu der Beichtvater abwägend die rechte Handfläche hin und her drehte.
    »Manche sollen sich sogar«, nahm er unbeirrt den Faden wieder auf, »mit Wahrsagerinnen und Zigeunern herumtreiben, um Dinge zu erfahren oder gar zu lernen, die dem Herrn nicht wohlgefällig sind.«
    Escarlati tat, als sei er nicht gemeint.
    »Doch dies geht mich nichts an«, sagte Rávago und fixierte dabei den Meister.
    Sie wissen alles, erkannte dieser schlagartig, und erstmals spürte er einen Schatten von Bedrohung über sich. Ihm wurde klar, dass auch er nicht davor gefeit war, in Bedrängnis zu geraten.
    Doch Maria Barbara hält ihre Hand über mich, wusste er auf einmal – und damit hatte er recht.
    »Genug!«, rief die Prinzessin. »Amüsiert euch! Die Musik war wunderbar, und jeder liege meinem Meister zu Füßen!«
    Königin Isabella lachte, klatschte in die Hände. Die Erstarrung um die königliche Familie war gebannt, Prinz Fernando strich wie üblich an der Wand entlang zum Buffet, und die Gäste durchmischten sich. Escarlati machte Anstalten, in eine der vier Ecken des Salons zu wandeln, sich ein Glas einschenken zu lassen, entdeckte Japón in der Menge und winkte ihm zu, doch Rávago folgte ihm und nahm ihn nochmals, nun unter vier Augen, ins Gebet.
    »Noch ganz anderes soll geschehen sein, wenn man dem Geschwätz zweier Zofen Glauben schenken will«, sagte der Oberbeichtvater leise, als gäbe er einen Hinweis in einem Ratespiel, wobei er seinen Blick einmal von Escarlati zur Prinzessin und zurück gehen ließ.
    »Doch auf Klatsch und Tratsch gebe ich nichts«, fuhr er beruhigend fort und fügte hinzu: »Nur, was durch Zeugen verifiziert ist – am besten deren zwei –, das zählt.«
    Letzteres allerdings war gar nicht beruhigend.
    Das Arpicembalo zeigte die Zähne, als Escarlati daran vorbeiging und ihm zärtlich über die hölzerne Flanke strich – lächelte es ihm zu oder wollte es ihn schnappen und fressen? Domingo spürte den ihm wohlbekannten Sog, sich in die Musik zu stürzen, Stunde für Stunde zu spielen, alles andere zu vergessen und sich durch die Klänge zu säubern, darin zu baden, den schmierigen Griff des Beichtvaters loszuwerden, auch die Furcht vor des Königs endgültigem Wahn, auch den Ekel vor dem frechen Prinzen.
    Doch das war unmöglich, denn man trank, scherzte, rief und genoss die Nacht.
    Wie so oft weilte Escarlati im Geiste, obwohl mittendrin im Gewühl, abseits, war fremd und versuchte zu verstehen: Genuss, was ist das eigentlich? Man erzählt Witze, hintergeht einander, frisst und säuft, giert nach diesem und dem … aha …
    Doch war’s ihm auch egal. Candela kam ihm entgegen, immer noch in Begleitung des langen, schwarzbunten Priesters, und strich vorüber, wobei ihre Hand zart und wie zufällig an seiner Brust entlangfuhr, von niemandem bemerkt, genauso sanft, wie er gerade sein neues Klavier berührt und das Zypressenholz gestreichelt hatte.

29
    »Geh niemals gedankenverloren die Giralda hinab, Junge«, sagte Curro zu dem Knirps. »Schon gar nicht in der Abenddämmerung. Und pass immer auf, wo

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