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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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sowieso, wann immer möglich, sich Konzerten zu entziehen; darüber in neuem Licht nachzudenken, dazu war im Augenblick keine Zeit, doch das übliche Lampenfieber hielt sich, wie er erstaunt feststellte, in Grenzen.
    Also los! Heiter und nicht zu lang. Man will ja wieder zurück zu Wein, Speisen und Frauen. Wie selten kann man den Alcázar von innen sehen, und da möchte man diese kostbaren Stunden nicht mit Musik verplempern …
    Escarlati lächelte. Montoya und Candela saßen so nahe wie möglich zum Klavier – frei bot sich Candela den neugierigen Blicken dar: Wer mochte diese schöne und ungewöhnliche Dunkle sein? Oh, das fragten sich manch einer und manch eine.
    Das ist also der schönste Tag ihres Lebens, dachte Domingo amüsiert und ohne Eifersucht und lag damit nicht weit daneben. Man tat so, als kenne man sich nicht, dies hatte man ja verabredet. Nicht einmal ein Zwinkern.
    Japón saß ein paar Reihen dahinter, ernst und unbewegt wie ein auf dem Sessel drapierter Stein. Des Freundes Anblick beruhigte Domingo, und guten Mutes begann er zu spielen.
    »Wie herrlich! Wie Glockenklang!«, seufzte die Prinzessin und alles horchte auf.
    Es war, als habe sich die Richtung der Klänge umgekehrt: Nicht länger musste man, wie beim Cembalo, den Tönen nachlauschen, sie sozusagen mit gereckten Ohren gerade noch wahrnehmen, bevor sie sich wieder in den Schutz des Instrumentes zurückzogen wie Kaninchen in ihren Bau. Nein, jetzt kamen sie einem stolz entgegen, entperlten dem Klavier wie gläserne, warm-dunkle Murmeln. Gibt es so etwas wie ehrliche Farbe? Wenn ja – hier war sie. Und das Leuchten der Töne spiegelte sich drumherum in den Gesichtern wider.
    Aber auch das Spiel selbst, die Ereignisse auf der Tastatur, hatten zu neuer Meisterschaft gefunden, und dies kam selbst für Escarlati unerwartet: Endlich gab sich das Instrument ihm zur Gänze hin, hatte seinen Hunger und seine Verzweiflung verstanden, so wie die Lachse in Japóns Geschichte jene des hungrigen Einsiedlers.
    Wie durch ein Wunder verstimmte sich das Klavier nicht, so stark er auch darauf einhieb, und verharrte in schwebend herrlichem Klangrausch. Der Meister griff in die Tasten wie ein Bär, ließ seine Pranken abrollen, strich mit den Fingern durch die Silberklänge, als hätte er es mit einem reißenden, klaren Gewässer zu tun, schien dieses nach Nahrung zu sieben, Nahrung für seine ausgehungerten Ohren, seine ausgehungerte Seele. Der nicht enden wollende Winter aus Konventionen, Perücken, Menuetten: endlich vorbei!
    Unglaubliche Arpeggien angelte er hervor, die Hämmer sprangen dabei wie silberne Fische, darüber hörte er Möwengeschrei und sah die Sonne gleißen, so wie damals auf den goldenen Brandungswellen von Estoril in Portugal, und davor das Kind Maria Barbara, im Sand herumtollend.
    Voller Übermut riss er seinen Daumen über die ganze Tastatur, vom Bass bis in den höchsten Diskant, was ihn, nach wilden Modulationen auf den weißen Tasten wieder zurückzwang nach C, dorthin, wo die Musik entspringt, wo alles angefangen hat, das helle Licht, das alle anderen Farben und Tonarten – diese unendliche Wunderwelt – in sich birgt.
    Das Reich der Kunst ist so endlos und weit, du kannst darin nur Einsiedler sein – nicht, weil du es so willst, o nein, sondern gerade wegen dieser unbegrenzten Weite. Wie sollte dir da ein Gleicher begegnen? Wie oft geschieht es, dass sich die Wege zweier Verdurstender in der Wüste kreuzen?
    Den letzten Akkord ließ er bis ins Nichts verklingen.
    Es war, was Escarlati erst jetzt bemerkte, als er mit gebogenem Rücken seiner eigenen Musik nachlauschte, es war totenstill geworden, alle Gespräche hatte man auf Eis gelegt wie die Köstlichkeiten des Buffets, wofür man tropfende, kalte Brocken in Nachtmärschen von der Sierra hatte herabschleppen lassen.
    Der Meister erhob sich, blinzelte, vermeinte sich einen Augenblick lang auf dem Festplatz unter Gitanos, sah Candela ihm zustrahlen und Curro neben ihr, stolz, als habe er mitgesungen.
    »Jetzt habe ich die Fische gefangen! Mit der bloßen Hand!«, rief Escarlati Japón zu, als er sich durch die Menge drängte und ein Beifallssturm unter den Gästen losbrach, die ihn und das Arpicembalo des Meisters Cristofori umringten und berührten, diese beiden Wunderwerke eines göttlichen und eines irdischen Mechanikers!
    »Fische?«, murmelte Curro. »Ist er nun völlig übergeschnappt?«
    Japón legte ihm die Hand auf den Arm und lächelte ernst und ebenfalls stolz:

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