Klappohrkatze auf Reisen
mitzuteilen, dass er nicht eine Woche lang zurückbleiben wollte, während seine Eltern sich auf Vergnügungsreise begaben (und, glauben Sie mir, mittlerweile akzeptiert Janis es, wenn ich ihr sage, dass Norton ein bisschen betrübt wirkt – sie geht sofort durch die ganze Wohnung und macht alle Zimmertüren zu). Aber damals, als wir telefonierten und ich vor Erleichterung und Erschöpfung fast zusammenbrach, bekam Janis einen Wutanfall. Auf ihre Art war sie von dem Erlebnis genauso erschüttert wie ich und fühlte sich, glaube ich, wie jemand, der ein Kind von einer hohen Schaukel fallen sieht, ohne dass es sich verletzt. Zuerst ist man so erleichtert, dass ihm nichts passiert ist, dass man alles tut, um es glücklich zu machen. Dann, wenn der erste Schreck vorbei ist, möchte man es am liebsten umbringen, weil es sich – und einem selbst – Angst gemacht hat.
»Lass ihm das nicht durchgehen«, sagte Janis. »Ich finde, du solltest ihn heute Abend nicht füttern.«
»Da hast du recht«, stimmte ich zu und nickte heftig. »Ich werde ihn definitiv nicht füttern.«
»Und nicht streicheln und küssen und ihm sagen, dass alles gut ist«, befahl sie.
»Absolut nicht«, sagte ich. »Das werde ich nicht tun. Ich werde streng und bestimmt sein.«
»Wirklich?«, fragte sie zweifelnd.
»Wirklich!«, sagte ich streng und bestimmt, wenn auch etwas schuldbewusst.
»Wir sehen uns morgen«, sagte sie wenig überzeugt. »Und ich bin froh, dass dein blöder Kater okay ist.«
»Danke. Ich sage es ihm.«
»Und füttere ihn nicht. Das ist mein Ernst . Es ist nur zu seinem Besten.«
»Ab jetzt«, bestätigte ich, »bekommt er nur noch Wasser und Brot. Stell dir mich als George Kennedy vor in Einsam sind die Tapferen .«
Wenn ich mit Filmzitaten anfange, die sie nicht versteht, findet es Janis meist an der Zeit aufzulegen. Ich wusste, dass sie sich genau in diesem Augenblick, bevor noch der Hörer in Memphis auf die Gabel fiel, ihren Freunden zuwandte und ihnen mitteilte, es sei ausgeschlossen, dass ich nicht schwach würde. Mir war klar, dass sie dachte, ich würde schon in wenigen Sekunden meine Katze füttern und streicheln. Ich aber war fest entschlossen, hart zu bleiben. Strenge Liebe hieß mein neues Motto des Abends.
Unglücklicherweise für mein neues Motto ist es fast unmöglich, einer miauenden Scottish Fold zu widerstehen. Ganz besonders einem von diesen »Ich habe Hunger«-Miaus.
»Für dich gibt es kein Essen«, erklärte ich ihm so entschieden wie möglich. » Du wirst jetzt bestraft. Und das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.« Ich dachte, er ließe sich vielleicht durch meine überdeutliche Aussage einschüchtern, aber Pech gehabt.
Er miaute wieder. Ich dachte an den Schrecken und die Sorgen, die ich seinetwegen den ganzen Tag durchgemacht hatte. Ich erinnerte mich, wie ich mich gefühlt hatte, als ich mir vorzustellen versuchte, wie er durch die Straßen New Yorks irrte, nass, einsam, verängstigt. Ich erinnerte mich an meine Vision von Nortons Foto auf einer Milchpackung, unter dem Satz:
»Wer hat diese Katze gesehen?«
Ganze sieben Sekunden waren verstrichen, seit ich das Telefonat mit Janis beendet hatte.
»Na ja, vielleicht nur einen kleinen Happen«, gab ich nach und öffnete sofort eine Dose seines Lieblingsfutters, löffelte es in seinen Fressnapf und setzte es ihm vor. Norton mümmelte dankbar, bis er satt war. Dann kam er zu mir und versuchte sich endgültig wieder bei mir einzuschmeicheln. Zur Einstimmung sah er mir direkt in die Augen und begann zu schnurren.
»Keine Chance«, verkündete ich. »Man hat mir ausdrückliche Anweisung gegeben, nicht nett zu dir zu sein. Ich kann dich nicht verhungern lassen, aber freundlich muss ich nicht sein.«
Er sprang aufs Bett und sah erschüttert und, um die Wahrheit zu sagen, extrem rührend aus. Dies war vermutlich die erste Zurückweisung, die er in seinem Leben erfuhr. Ich streckte die Hand aus und streichelte ihm in einem Anfall von Vergesslichkeit über den Kopf. Norton fasste die beschwichtigende Geste sofort als ein Zeichen der Kapitulation auf und setzte zum Gnadenstoß an, indem er seine Nase fest an meiner Wange rieb, worauf ich normalerweise immer hereinfalle. Aber dieses Mal nicht.
»Oh nein«, sagte ich zurückweichend. »Ich werde nicht schwach.«
Da begann er sich an meinem Bein zu reiben.
»Es ist nur zu deinem Besten«, versuchte ich zu erklären. Als Janis das gesagt hatte, klang es so überzeugend.
Das Schnurren wurde
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