Klappohrkatze auf Reisen
Desaster. Ich wurde etwas gefragt, in der Art von:
»Und, welche Richtung wird die Firma Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren einschlagen?«, und ich brachte nur eine mürrische Antwort zustande, so etwas wie ein »Häh?«.
Dann starrte ich fünf Minuten lang ausdruckslos an die Wand, und das Schweigen wurde nur von meinen langen, lauten Seufzern unterbrochen. Wir brauchten vom Salat und Hauptgang bis zum Dessert rund zwanzig gemütliche Minuten oder so. Ich hatte keinen Appetit, und meine totale Depression verschlug ganz offensichtlich auch meinem Vorgesetzten den Appetit. Ich glaube, seiner Meinung von mir erging es ähnlich, aber was konnte ich tun? Was mich anging, war das Leben, so wie ich es kannte, vorbei.
Als wir auf die Rechnung warteten, kam die Kellnerin an unseren Tisch und sagte zu mir:
»Entschuldigung, aber sind Sie Mr. Gethers?« Als ich dies bejahte, teilte sie mir mit, ich werde am Telefon verlangt.
Der Anruf kam von Janis, und es war der wundervollste Anruf, den ich je in meinem Leben bekommen habe.
»Du wirst es nicht glauben«, begann sie, »aber geh sofort in meine Wohnung. Norton wartet im Wohnzimmer auf dich.«
Ich stieß einen sehr lauten Schrei aus, versuchte mich selbst zu beruhigen, weil ich mich in der Öffentlichkeit befand, sagte mir dann, scheiß drauf, und ließ einen weiteren Schrei los, der noch lauter als der erste war. Ich flehte Janis an, mir zu erzählen, wie dieses Wunder geschehen war.
»Ich habe doch gesagt, dass du es nicht glauben wirst«, sagte sie, und dann erzählte sie mir die ganze Story: Nachdem sie auf dem Flughafen gelandet und danach direkt essen gegangen war, fuhr sie schließlich zum Haus ihrer Freunde in Memphis, wo sie meine zahlreichen, selbstmörderisch klingenden Anrufbeantworternachrichten vorfand. Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, rief sie ihre Vermieterin an und bat sie, ihren Mann aufs Dach zu schicken in einem letzten, verzweifelten Versuch, die Katze zu finden. Laut ihrer Vermieterin war die nicht ganz unverständliche Reaktion ihres Mannes ein:
»Was, hast du den Verstand verloren?«, und ihre Antwort darauf war ein langsames, ruhiges und offensichtlich recht effektives: »Geh … raus … auf … das … scheiß … Dach. Sofort !«
Dann stieg sie die zwei Treppen zu Janis’ Wohnung hoch, weil sie sich dachte, wenn Norton tatsächlich auf dem Dach sei, wäre er bestimmt so erstarrt und schwer zu bändigen, dass ihr Mann jemanden brauchen würde, dem er ihn durchs Fenster anreichen könnte. Sie schloss die Wohnungstür auf, trat ein … und in der Diele, zusammengerollt zu einer ruhigen, friedlichen, untraumatisierten, kuschelig warmen Kugel, lag niemand anders als Norton der Kater.
Völlig verdutzt stürzte sie zum Telefon und rief Janis in Memphis an, die mich sofort im Restaurant anrief. Ich legte den Hörer auf, erklärte meinem verblüfften Essensgenossen – der meinen Namen eindeutig von der Liste mit dem Titel Menschen mit Zukunft, denen ich eines Tages vielleicht viel Geld zahlen werde gestrichen hatte –, das Leben sei wieder schön, dann raste ich im Taxi zurück zu Janis’ Wohnung und nahm auf den drei Treppen zur Wohnung zwei Stufen auf einmal. Bis ich dort eintraf, hatte Sylvia Norton bereits in eins der beiden Schlafzimmer gesteckt und die Tür hinter ihm zugemacht, damit er auf keinen Fall wieder entwischen und sich erneut verstecken konnte. Als ich vorsichtig die Tür aufmachte – ich konnte immer noch nicht glauben, dass der kleine Kerl wirklich da war – fand ich Norton tief und fest schlafend auf dem Bett, in seiner üblichen Position: Kopf auf dem Kopfkissen, Körper unter der Decke. Als ich hereinkam, machte er ein Auge auf und begann zu schnurren.
Ich ging behutsam zu ihm, hob ihn hoch und begann einen ziemlich in die Länge gezogenen Vorgang des Streichelns, Kraulens, Gurrens und Küssens. Als wir beide genug davon hatten, rief ich Janis an.
»Er ist tatsächlich hier«, berichtete ich ihr. Zum ersten Mal seit vierzehn Stunden hatte meine Stimme nicht diesen rauen, verzweifelten Klang.
»Und er war überhaupt nicht draußen?«, fragte sie ungläubig.
»Oh nein. Er ist absolut trocken und zufrieden.«
»Aber wo war er dann?«, wollte sie wissen – das erste von mehreren Millionen Malen, dass wir uns diese Frage stellten.
Wir haben nie herausgefunden, wo er war. Nach und nach bekamen wir heraus, dass dieses einen ganzen Tag lang währende Versteckspiel Nortons subtile Methode war, uns
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