Klappohrkatze auf Reisen
Außerdem entdeckten wir, dass amerikanische Kleinstädte nicht die einzigen Orte sind, die eher etwas … äh … sagen wir, popelig sind.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren nach San Antonio, um die Gedenkstätte des texanischen Unabhängigkeitskriegs, das Alamo, zu sehen. Schon etwa fünfzig Kilometer vorher sieht man The Alamo Motel, The Alamo Diner, The Alamo Bar & Grill und The Alamo Fertilizer & Seed Shop. Wo man auch hinguckt, sieht man nur noch Leute, die mit dem Namen Alamo für etwas werben, das ungefähr so viel mit Davy Crockett und Jim Bowie zu tun hat wie mit dem Leben auf dem Neptun. Im Loire-Tal ist es genauso, allerdings sind die meisten Touristenfallen wesentlich attraktiver als alles, was es in San Antonio gibt. Wenn man in den lieblichen Dörfern Loches oder Ambois oder Blois übernachtet, steht auf jedem Schild der Stadt etwas wie CAFÉ LOUIS XIV . oder BOULANGERIE HENRI VIII . oder BLANCHERIE HENRI II . (Reinigung Heinrich II . – übersetzt klingt es nicht ganz so gut, oder?).
Ein Ort an der Loire, der sich absolut nicht durch kommerzielle Gier ruinieren lässt, ist das wunderbare château in Chenonceaux, erbaut über der fünfbogigen Brücke über den Fluss Cher.
Das erste Mal war ich in Chenonceau (und damit Sie nicht glauben, ich nähme es mit der Rechtschreibung nicht so genau, merken Sie sich bitte, dass die Franzosen, üblicherweise, die Stadt Chenonceaux schreiben, aber das Schloss selbst schreibt sich Chenonceau. Was soll ich sagen? So sind sie eben, die Franzosen) im Sommer 1976, als ich jung und hippiehaft war. Der Ort war von Touristen überlaufen, und es war brutal heiß, aber es war so wunderbar, dass das keine Rolle spielte. Ich war mit David dort, meinem Koautor (ja, so lange kennen wir uns schon, obwohl wir damals noch nicht die geringste Ahnung vom Drehbuchschreiben hatten), und unseren damaligen Freundinnen (was die anging, hatten wir auch keine Ahnung, aber sie sind längst aus unserem Leben verschwunden), und wir mieteten Ruderboote auf dem Fluss und ruderten bei Sonnenuntergang direkt unter dem Schloss durch, und dann saßen wir mitten in der Anlage von Chenonceau, in der Platanenallee, tranken Wein und sahen uns die unglaubliche son et lumiére Schau an, die die Geschichte des Schlosses erzählte.
Jahre später, als Janis, Norton und ich unsere Pilgerfahrt machten, gab es keine Ruderboote und keine Licht-und-Ton-Schau und praktisch keine Touristen. Es war kalt, windig und womöglich noch perfekter als in diesem lange zurückliegenden Sommer. Als wir das Schloss besichtigten, fast allein, loderten in sämtlichen Kaminen Feuer. Wenn wir aus dem Fenster schauten, war es, als schauten wir zurück in eine glorreiche, aber ernüchternde Vergangenheit. Wir konnten förmlich die Pestepidemien spüren, die Enthauptungen, den Verrat, den Glanz, die Könige, die durch diese steinernen Mauern gegangen waren. Keiner der Wärter monierte, dass wir eine Katze mitbrachten, um die flämischen Tapisserien, die Himmelbetten, die Renaissancemöbel und die schier unglaubliche unterirdische Küche zu studieren. Ich nehme an, angesichts all des Verrats und all dieser Epidemien kam es auf eine Scottish Fold auch nicht mehr an.
Unsere letzte Station an der Loire – wir konnten es jetzt kaum noch abwarten, in die Provence zu kommen – war der entzückende Weinort Sancerre.
Diese Stadt hat immer eine Faszination auf mich ausgeübt. Als ich fünfundzwanzig war, brachte ich einen Roman heraus, The Dandy , in dem der Protagonist nach Frankreich zieht und sich die Stadt Sancerre als Wohnsitz aussucht, weil dort sein Lieblingsweißwein herkommt. Jahre später ließen die Stadt – und der Wein – mich nicht im Stich. Wir wanderten durch den alten Teil der Stadt, der teilweise aus dem 11. Jahrhundert stammt, dann gingen wir zur Weinprobe.
Sancerre ist zufällig auch Janis’ Lieblingsweißwein, also zögerten wir nicht, so viel wir irgend konnten zu probieren. Und in dieser Stadt kann man wirklich viel probieren. Es muss im Umkreis von drei bis fünf Kilometern Hunderte von Winzereien geben, und jede produziert einen noch köstlicheren Wein als die vorige. Mein Liebling und der von Janis war ein kleiner einheimischer cave mitten in der Stadt, betrieben von einem Vater-und-Sohn-Team. An dem Tag, als wir dort waren, war die Tür fest verschlossen, aber es klebte ein Zettel daran, auf dem stand, wer wirklich Wein wolle, solle drei Blocks weiter gehen, dann nach rechts, und dann laut an die Tür des
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