Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
der Familie dies lesen und beschließen, dass er oder sie natürlich zu den Ausnahmen gehört).
Meiner Meinung nach war, als Belle nicht mehr da war, der Kitt, der alle zusammenhielt, ebenfalls nicht mehr da. Ohne diesen Kitt war es kein Familienverband mehr, sondern eine Gruppe von individuellen Persönlichkeiten. Und wenn man sie als Individuen statt als Familie betrachtete, nun ja … das war kein schönes Bild. Wenn man die Haarteile einiger Cousins mitrechnet, war das Bild sogar richtig grotesk. Sie machten, was Menschen anscheinend immer tun, wenn der Stärkste von ihnen verschwindet: Sie wurden kleinlich, sie wurden klein, sie wurden gierig und, was am schlimmsten ist, sie wurden gemein. In gewisser Weise war es schrecklich für meine Mom. Sie verlor das eine Familienmitglied, dem sie am nächsten gestanden hatte – ihre Schwester Belle –, aber sie verlor auch die meisten anderen. Absichtlich, ja, als sie ihren Moment der Klarheit hatte, aber sie verlor sie dennoch.
Ich kenne jemanden, dessen Vater vor ein paar Jahren starb (die Mutter war ein paar Monate vorher gestorben). Er war im Krankenhaus bei seinem Vater, als dessen letztes Stündlein schlug, und er rief seine Schwester an, um ihr die traurige Nachricht mitzuteilen. Er sagte, er müsse noch etwa eine Stunde im Krankenhaus bleiben, um sich um den Papierkram und andere Einzelheiten zu kümmern, und werde dann in sein Elternhaus zurückfahren, wo er wohnte, wenn er in der Stadt war. Als er dort ankam, sah er seine Schwester gerade noch wegfahren – sie hatte alle Bilder und Wertsachen mitgenommen, die sie aus dem Haus haben wollte. In fast jeder Familie, die ich kenne, gibt es solche Geschichten. Ich habe Dutzende davon gesehen und gehört. Wenn jemand stirbt, der für die Familienstruktur wichtig ist, verfallen andere in der Familie wieder in ihre neurotischen (und in der Regel gierigen) schlimmsten Instinkte. Das macht der Tod häufig mit Familien. Er bricht sie auseinander.
Als meine Mutter das lange gehegte Bild ihrer Familie zerbrechen sah, hätte sie zwei Möglichkeiten gehabt: Sie hätte selbst zerbrechen können, wie es sehr viele Menschen tun, oder sie hätte nach vorn schauen und sich ihre eigene »Familie« aussuchen können. Zum Glück tat sie Letzteres. Noch besser, zu ihrem neuen Hofstaat gehörten ein paar echte Familienangehörige – ich, mein Bruder, der Sohn meines Bruders (wahrscheinlich hätte ich den Enkel, Morgan, als Erstes aufführen sollen, denn er ist ihr mit Abstand der Liebste), Janis, Belles Tochter Beth, Lil (eine andere Schwester meiner Mutter), ein paar andere Nichten und Neffen. Außerdem kamen nun viele enge Freunde dazu, Menschen, denen sie vertraute und die sie liebte. Nur wenige Menschen sind zu solchen Veränderungen fähig, egal in welchem Alter. Im Alter meiner Mutter ist es besonders bewunderungswürdig. Natürlich sind ihr bewunderungswürdige Lebensveränderungen vertraut. Sie hat auch ihre Karriere erst begonnen, als sie Anfang fünfzig war. Sie hat mittlerweile acht oder neun Kochbücher verfasst (darunter ein Schokoladenbuch, das das Food and Wine Magazine zum besten Kochbuch des Jahres 2000 kürte) und macht immer noch weiter. Sie wirkt nach außen hin ruhig, ist aber innerlich nicht nur stark genug, um Entscheidungen zu treffen, sondern auch entschlossen genug, sich daran zu halten, wenn die Entscheidung einmal gefallen ist.
Ich finde, Entscheidungen sind in so ziemlich jeder Situation vorzuziehen, besonders, wenn es darum geht, wem man letzten Endes traut und wen man liebt. Auch für mich hat das ziemlich gut funktioniert. Meinen besten Freund kenne ich, seit ich acht Jahre alt bin. Die meisten anderen guten Freundschaften pflege ich auch schon seit Jahren. Über Janis wissen Sie ja schon alles. Und dann war da natürlich vor allem Norton.
Die meisten meiner Freunde sind echte Freunde. Ich habe das Gefühl, sie könnten mich anrufen und mich um praktisch alles bitten, und ich könnte dasselbe tun. Wenn Sie für Ihre Freunde oder Ihre Wahlfamilie nicht so empfinden, lautet meine Einstellung: »Wozu dann das alles?« Ich neige dazu, Leute zu Anfang abzuweisen, aber wenn sie durch den Radar kommen und erst einmal drinnen sind, bleiben sie es meist auch. Und das ist der Grund, warum ich über Belles Tod reden wollte. Denn wenn ich über ihr Leben nachdachte, sah, wie ihr Tod sich auf meine Mutter ausgewirkt hatte, die Trauerrede hielt und mich darauf konzentrierte, was wichtig war, diente das alles
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