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Klappohrkatze - Wie ich vom Katzenhasser zum Dosenöffner wurde: "Wie ich vom Katzenhasser zum Dosenöffner wurde"

Klappohrkatze - Wie ich vom Katzenhasser zum Dosenöffner wurde: "Wie ich vom Katzenhasser zum Dosenöffner wurde"

Titel: Klappohrkatze - Wie ich vom Katzenhasser zum Dosenöffner wurde: "Wie ich vom Katzenhasser zum Dosenöffner wurde" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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glaube, er kam sich ein bisschen dumm vor, weil er solche Angst vor Norton gehabt hatte. Und ich glaube, er war auch erleichtert. Die Möglichkeit des Schmerzes war sehr real gewesen, doch der Schmerz war nicht gekommen. Ich glaube auch, dass meinem Vater erst in diesem Moment wirklich klar wurde, dass es ihm vielleicht bald wieder besser gehen würde, dass ihm zum ersten Mal bewusst wurde, dass er noch nicht sterben würde.
    Als ich drei Jahre später bei ihm im Krankenzimmer stand, musste er sterben, und dieses Mal wusste er es.
    Mein Bruder Eric und meine Mutter lebten jeden Tag mit diesem Druck, der sie völlig auslaugte, also wurde ich, weil ich gerade erst auf der Bildfläche erschienen war, sofort zur stärksten Person erkoren. Die Entscheidungen, die wir treffen mussten, waren nicht angenehm – wie viele Medikamente sollte er bekommen, wann sollte die Behandlung abgebrochen werden, wann sollte man aufhören zu kämpfen und sich in das Unvermeidliche fügen. Doch nach ein paar Tagen gab es nicht mehr sehr viele Entscheidungen zu treffen. Mein Vater war manchmal klar im Kopf und manchmal verwirrt, aber meistens eher verwirrt. Auf eine makabere Art mussten wir manchmal sogar über die Situation lachen – der endgültige Beweis, dass ich Recht hatte und Sarah nicht: Es gibt keine unangemessene Zeit für Humor.
    Einmal stand mein Vater total unter dem Einfluss der Schmerzmittel und war überzeugt davon, dass Pete Maravich im Flur Basketball spielte. (Mein Vater hatte Pete Maravich unseres Wissens nach niemals getroffen; doch Eric meinte, dass es, da Maravich einige Monate zuvor gestorben war, kein gutes Omen sein könnte.) In einem seiner klaren Momente war mein Dad verwirrt über die Halluzinationen, die er an der Wand gesehen hatte – verwirrt, weil sie plötzlich verschwunden waren. »Aber sie waren so schön«, meinte er.
    »Endlich«, antwortete ich, »kannst du verstehen, warum Eric und ich in den Sechzigern und Siebzigern all diese vielen Drogen genommen haben.«
    »Also das war der Grund«, meinte er. Und dann sagte er: »Aber was ich nicht verstehe, ist, warum ihr wieder damit aufgehört habt.«
    Mein Vater wollte nicht im Krankenhaus sterben. Also brachten wir ihn, als wir wussten, dass die Ärzte nichts mehr für ihn tun konnten, nach Hause.
    Die Krankenschwester, die sich rund um die Uhr um ihn kümmerte, hatte ein Krankenbett in sein Zimmer gestellt, und dort legten wir ihn hinein. Das Bett stand neben seinem alten Sessel. Während der wenigen Tage, die er zuhause noch lebte, verließ Norton nicht ein Mal diesen Sessel. Er verbrachte den ganzen Tag dort; er schlief dort nachts und leistete meinem Dad Gesellschaft.
    Eines Nachts wollte ich ihn bei mir im Bett haben. Es war spät, vielleicht zwei Uhr morgens, und ich brauchte Gesellschaft. Leise ging ich in das Zimmer meines Vaters. Er schlief – zu diesem Zeitpunkt lag er eigentlich schon in einer Art Halbkoma –, und die Krankenschwester las. Norton saß wach auf seinem Sessel und starrte meinen Vater an, als warte er auf ein Wort von ihm, dass er auf das Bett springen und ihn trösten durfte. Das Wort kam nicht, zumindest nicht, während ich dort stand und zusah. Ich nahm Norton nicht mit zurück in mein Zimmer. Ich ließ ihn dort auf dem Sessel und schlief allein weiter. Nur für den Fall, dass das Wort doch kam, dachte ich, dass er besser bereit sein sollte.
    Am nächsten Tag starb mein Vater. Es passierte am späten Nachmittag.
    Ich war nicht da. Ich war einkaufen gefahren. Irgendwie wusste ich es, als ich in die Einfahrt bog. Als ich den Wagen parkte, kamen mein Bruder und meine Mutter aus dem Haus. Sie weinten. Ich hatte es um wenige Minuten verpasst. Eric war bei ihm gewesen. Eine Minute hatte er im Schlaf noch tief geatmet, in der nächsten hörte er auf zu atmen. Das war alles.
    Ich hatte mich schon ein paar Tage zuvor von ihm verabschiedet. Mein Dad war kaum noch bei Bewusstsein. Wenn doch, dann rief er manchmal nach einem von uns oder nach uns allen. Manchmal, wenn die Krankenschwester uns sagte, dass er wach war, gingen wir einfach zu ihm, weil wir nie wussten, ob es vielleicht die letzte Gelegenheit für uns sein würde, mit ihm zu sprechen oder ihm zuzuhören.
    Irgendwann sagte mir die Krankenschwester, dass er wach sei und ich noch mal mit ihm sprechen sollte. Sie meinte, ich hätte sonst vielleicht nicht mehr die Chance dazu. Also verließ sie das Zimmer, und ich stand neben meinem sterbenden Vater und hielt seine kalte, klamme

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