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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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für unsere Umschmiedeaktion sollte sich die konspirativ abgesprochene Anwesenheit eines kleinen Fernsehteams mit Peter Wensierski und Wolfgang Büscher erweisen. Einige Wochen später lief ein Ausschnitt im ZDF. Der ging bald um die Welt, immer wieder Mut machend, inspirierend.Eine Idee hatte ihre Parole und ihr wirkmächtiges Symbol gefunden! Freilich kann ich nicht verschweigen, dass ich über dieses Schmieden während des Kirchentages, der unter dem Motto stand »Vertrauen wagen«, niemanden informiert oder gar gefragt hatte. Nur mein Propst Treu wusste Bescheid. Der konnte schweigen. Man wandte 1983 keineoffenen Repressionen gegen uns an, auch nicht gegen den Schmied. Und es war unser Glück, dass in unserer kleinen Vorbereitungsgruppe gerade kein Spitzel »aktiviert« war. Das sollte sich sofort ändern. Zersetzungsprogramme, die im Mielke-Imperium erdacht worden waren, begannen zu greifen. IM »Gitte« etwa kannte fortan jahrelang keine Schamgrenzen, und IM »Robert« erstellte perfekte Wohnungsgrundrisse, in denen sogar die Steckdosen verzeichnet waren. Der Abteilungsleiter beim Rat des Bezirkes Halle Voigt (ein OibE des MfS) hatte den Auftrag, mir in aller Deutlichkeit zu erklären, dass »man mir dies nie vergessen werde«. Ich antwortete: »Herr Voigt, ich werde den Abend auch nie vergessen.« Wie dem Orkus der Mielkeakten zu entnehmen ist, schien es kirchenpolitisch nicht opportun, einen Bundessynodalen strafrechtlich zu belangen. Es blieb wohl bei allgemeinen Drohungen, weil der designierte Bundespräsident Richard von Weizsäcker ganz in der Nähe gewesen war.
    Eines jedenfalls hatte ich erreicht: eine enorme nachhaltige Ermutigung zahlreicher junger Leute, die mit Recht darüber enttäuscht gewesen waren, dass die Kirche sich auf einen faulen Kompromiss eingelassen hatte: Das Zeichen kann Signum der Friedensdekaden (ziemlich klein gedruckt!) bleiben, wird aber »aus der Öffentlichkeit herausgenommen, nicht weiter auf Vlies gedruckt und verbreitet«. Aber SCHWERTER ZU PFLUGSCHAREN – das war doch für die Welt, nicht »für innerkirchlichen Gebrauch« bestimmt!
    Unsere spektakulär gewordene Symbolhandlung hatte eine längere Vorgeschichte und eine dramatische, gut auslaufende Nachgeschichte. Zur Vorgeschichte gehört die seit 1962 in den Evangelischen Kirchen der DDR intensiv geführte Debatte über die Rolle des Militärischen bei der Sicherung des Friedens, insbesondere über die ethische Bewertung des Wehrdienstes.Das führte 1965 zu einer Handreichung, die Wehrdienstverweigerung als »das deutlichere Zeichen« für den Frieden bewertete. Bei fortschreitender Militarisierung – auch im Denken – seit dem Mauerbau hatten Wehrpflichtige nur noch die Wahl, sich zu fügen oder nach Bautzen zu kommen. Die menschlichen Erfahrungen »bei der Asche« waren weithin verheerend. Dieser »Friedensdienst« – oft für drei Jahre – war Dankbarkeits- und Unterwerfungsakt in einem.
    Der Staat statuierte Exempel. Einer meiner Studienfreunde wurde verurteilt und im Knast schwer gedemütigt. Andere – wie ich – wurden verschont, obwohl sie verweigert hatten. Das bedeutete allerdings Leben in permanenter Angst. Konfliktentschärfend, aber keineswegs befriedigend wirkte die Bausoldatenverordnung (1964). Man kann wohl davon ausgehen, dass die DDR-Führung wirklich keinen Krieg wollte. Aber warum solche Rüstung, solch Säbelrasseln, solche Militarisierung? Eine regelrechte Phobie vor einer »imperialistischen Aggression« sowie vor innerer Aufweichung durch »5. Kolonnen« trieb sie an.
    Seit 1979 bekam die Diskussion eine neue Qualität, Intensität und Öffentlichkeit – durch Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden hüben und drüben. Nach dem öffentlichen Aufruf zu einer »Schweigeminute für den Frieden« mit anschließendem Glockengeläut überall am Bußtag 1980, um 12 Uhr, luden wir seit November 1981 DDR-weit jährlich zu einer besonderen Friedensdekade ein. Es gehört zum Witz (oder zur List), dass der sächsische Jugendpfarrer Harald Brettschneider die Druckgenehmigungspflicht umging, indem er Vlies bedrucken ließ: um einen roten runden Rand das Micha-Zitat und das stilisierte UNO-Denkmal mit Schmied, als Einlegeblatt und als Aufnäher nutzbar. Ein Widerstands-, ein Widerspruchs-, ein Hoffnungszeichen.
    Petra Kelly sollte später dem verdutzten Honecker diesesZeichen auf einem von ihr blitzartig entrollten Transparent unter die Nase halten – als Ausdruck dafür, dass die Friedensbewegung durch

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