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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Garstecki wirkten federführend und unermüdlich mit. Damals konnte ich zu wenig deutlich machen, dass ich strikt gegen die Abgrenzungsideologie der DDR war. Ich war so konzentriert auf die Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung und wollte Fragen nach dem Überleben der Menschheit angesichts 50-fachen Overkills nicht auf die gleiche Stufe stellen wie die ideologische Abgrenzung und die Mauer. Dadurch haben Heino Falcke und ich sich auseinanderdividieren lassen, obwohl ich jedes Wort seiner Einbringungsredezu jenem Antrag teilte, auch seine Diagnose, dass unsere Gesellschaft geradezu krank war, an einer Krankheit zum Tode litt. Das hat mich lange sehr belastet.
    Die Initiative »Frieden 83« hatte unter der Überschrift Die Gefahr erkennen, den Glauben bekennen, den Frieden leben zehn Grundsätze formuliert. Da heißt es u. a.: »Ich lehne es ab, mich an Waffen ausbilden zu lassen, weil mein Gewissen mich bindet, alles für den Erhalt der Welt zu tun. Das kann ich in der gegenwärtigen Situation mit Waffen nicht mehr erreichen. Im Ost-West-Konflikt hat uns das System der Abschreckung an den Rand des Untergangs geführt. Diesen Weg will ich nicht weiter mitgehen. Wie weit meine Kraft dazu reicht, weiß ich noch nicht … Ich will diejenigen stärken und stützen, die wegen ihres Eintretens für den Frieden in Schwierigkeiten kommen.«
    Just im Jahre 1983 hatte Erich Honecker die aufzustellenden Mittelstreckenraketen – ohne Unterscheidung in Ost und West – »Teufelszeug« genannt. Endlich ein Eingeständnis, dass es in einem atomaren Krieg keine Gewinner, sondern nur Verlierer gäbe, zumal in Deutschland. Der Erzfeind F. J. Strauß flog zwar selber ein und brachte Überlebenskredite für das System, dennoch wollte man weiter Frieden schaffen »Gegen Nato-Waffen« – mit weißer Taube auf blauem Grund, nicht mit Flanellaufnähern und Prophetenwort.
    Jenes kleine Vlies, das tausendfach verbreitet wurde, wirkte als Provokation, als antisozialistische Propaganda. Uns aber ging es um Frieden als eine universale Herausforderung, die einschloss, sich mit dem Gegner möglichst friedlich zu einigen, den Rüstungswettlauf entschlossen zu stoppen. (Freilich hatten wir in Ronald Reagan und Caspar Weinberger darin nicht gerade Verbündete!) Uns ging es darum, die Konversion des Denkens, der Politik und der Waffen einzuleiten.Gesinnungsethisch und verantwortungsethisch! Uns ging es um Tapferkeit vor dem Freund, Tapferkeit im eigenen Land, um tagtägliche Zivilcourage, nicht um jene pervers-todessüchtige männliche Tapferkeits-Selbstbestätigung im Kriege.
    Als die Band BAP 1984 zu einer Konzertreise in die DDR kommen wollte, entdeckten die Funktionäre plötzlich die Sprengkraft eines Liedes für uns in der DDR, in kölschem Dialekt, hierorts fast unverständlich, zumal für sächsische Genossen. In hochdeutscher Version:

    Und noch was, falls es nicht schon ohnehin bekannt,
    Das an die Clique, die sich »Volksvertreter« nennt:
    Uns bekommt ihr vor keinen offiziellen Karren gespannt,
    Hier, wo was anderes unter unsern Nägeln brennt.
    Denn wir haben Freunde hier, die haben keine weiße Taube auf blauem Grund,
    Die haben ’nen Schmied, der macht ein Schwert zu ’nem Pflug,
    ’Ne SS-20 zu ’nem Traktor und ’ne Pershing zu ’ner Lok,
    Die haben vom Rüstungsschwachsinn so wie wir genug,
    Das sind Pazifisten ohne Wenn und Aber,
    Ohne Hintertür, die sagen: »Nein!«,
    Die haben wie wir die Nase voll von dem Gelaber –
    Ganz besonders für unsere Freunde spielen wir hier.

    Wie sehr freuten wir uns, dass BAP nicht auf dieses Lied verzichten wollte – und dafür die Absage kassierte!
    Um die Parole »Schwerter zu Pflugscharen« sammelten sich überall Gruppen, die nach friedlicher Konfliktlösung strebten, die ganz lokal dachten, aber die globale Perspektive nie außer Acht ließen – in Friedensseminaren, -kreisen, -werkstätten, -wanderungen, -workshops, -gebeten, -gottesdiensten, in Synoden und Bluesmessen. Ob in Meißen, Königswalde, Berlin, Erfurt, Magdeburg, Leipzig, Halle oderWittenberg. Meine Mitwirkung in diesen vielen Gruppen gehört zu den bereicherndsten Erfahrungen meines Pfarrerdaseins in einer Kirche, die in der deutschen Vergangenheit zu oft vergessen hatte, in wessen Namen sie redet und handelt, und wie sehr sie das Zeugnis des Bergpredigers verleugnet und stattdessen Staatsgehorsam gepredigt hatte.
    Selig sind die Friedensstifter. Ja glücklich, wenn’s gar mal gelingt.
    Was eher gedanklich,

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