Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
Vom Netzwerk:
kommunistische Propaganda nicht vereinnahmbar war, auch als Protest gegen die Repressalien in der DDR.
    Zuführungen zur Polizei, erzwungenes Abtrennen waren 1981/82 die Folge, bis es zum Verbot öffentlichen Zeigens jenes prophetischen Bildwortes mit seiner universalen Friedensvision kam. Wir wollten viel, wenn nicht alles: entschlossen aus der Logik von Rüstung und Gegenrüstung ausbrechen, gegenseitige Feindbilder zertrümmern, den Irrsinn der Massenvernichtungsmittel bloßlegen, ein offenes Wort gegen den »roten Militarismus« sagen, der flugs die eigenen Waffen als gute Waffen, die des Gegners als böse Waffen deklarierte. Das kommunistische Feindbild musste ja stimmen und sollte zusammenschweißen. Man sang voller Inbrunst: »Nur der Tod der Feinde ist gerecht …« Immer brauchen die Krieger verfeindeter Lager Feindbilder, Schreckensbilder vom Feind, um ihre eigenen Truppen zu motivieren, gar zu einem Mut anzustacheln, der tagtäglich tödlich sein kann. Frühes, jammervolles Sterben mit überhöhter Sinn-Suggestion: »Fürs Vaterland, für die Freiheit, für Gott, für uns …« Im marxistisch-leninistischen Lehrbuch zur Ästhetik des Soldatseins hatte es geheißen: »Die Taktik ist für den Kommandeur nicht weniger begeisternd als die Kunst für den Künstler. … es entfaltet sich jene kraftvolle emotionale Erregung und Anspannung, die man gewöhnlich als Gefechtsrausch bezeichnet. … Um eines hohen Zieles willen ist auch der Heldentod schön.« (Werden nicht heute Soldaten sogar demokratischer Staaten ähnlich getrimmt, um Sinnlosem einen Sinn zu verleihen?)
    Statt aufzurüsten, wollten wir umrüsten und gegen die damals herrschende Atomkriegsangst Hoffnung aufpflanzen. Frieden braucht eine Vision und viele kleinere oder größereSchritte, um ihn zu erhalten. Für uns gehörten Kriegsdienst-Verweigerungen mit Forderungen nach einem sozialen Friedensdienst zusammen. Dafür waren seit 1981 immer mehr Jugendliche öffentlich – über die Verbreitungsmöglichkeiten der Kirchen – eingetreten, Repressionen hinnehmend.
    Die DDR verstand sich prinzipiell als Friedensstaat. Auch der Mauerbau galt als »Sicherung des Friedens«. Dreist und bedrohlich hieß es seit 1960: »Bist du für den Frieden, dann bist du auch für die LPG. Bist du gegen die LPG, dann bist du auch gegen den Frieden.« Frieden wurde vielfach zur Drohund Disziplinierungs-Formel. Auf den Feldern wurden Ernteschlachten geschlagen. Der Arbeitsplatz wurde zum »Kampfplatz für den Frieden« deklariert. Die Durchmilitarisierung der ganzen Gesellschaft schritt fort – bis zu den Atom-Luftschutz-Übungen, dem Fach Wehrkunde, bis in die Mitte der 80er-Jahre mit praktischen Übungen, selbst in Kindergärten. Frieden war offizielle Staatspolitik. Und wer in dieser Logik gegen diesen Staat war, der war auch gegen den Frieden. Den Friedens-Staat mussten alle schützen, auch gegen jene vielen kleinen aufbegehrenden Friedensgruppen. Die Machthaber waren sich ihrer Macht nicht sicher, und wir vergewisserten uns, dass die »Kraft Gottes in den Schwachen mächtig ist«. Mit Machtdemonstrationen kannten sich die roten Fürsten aus; Verteidigungsminister Armeegeneral Heinz Hoffmann erklärte am 25. März 1982 zur Neufassung des Wehrgesetzes der DDR vor der sogenannten Volkskammer: »Unsere Soldaten tragen ihre Waffen für den Frieden, und je besser sie ihre Waffen beherrschen, umso zuverlässiger ist der Frieden gesichert! So gerne wir unsere Waffen dereinst verschrotten werden – noch braucht der Sozialismus, braucht der Frieden unsere Pflugschare und unsere Schwerter!« Das war die Keule des kraftstrotzenden Goliath Staat gegen denkleinen David Friedensbewegung. Jenes »und« wurde ausdrücklich fett gedruckt. Es folgte der Hinweis, dass »von jedem männlichen Bürger der DDR zu erwarten (ist), dass er jederzeit zur Ableistung seines aktiven oder Reservistenwehrdienstes bereit ist«. Eine kritische Reaktion der Blockparteien dazu ist nicht bekannt. Die Ost-CDU ließ auf ihren Parteitagen Soldaten der NVA einmarschieren. Es gehörte für jeden wahrlich Mut dazu, den Fahneneid nicht zu leisten und persönlich zu widerstehen, je vereinzelter, desto mühseliger.
    In der DDR gab es eben nicht nur Nischen und stillschweigendes Bürgertum auf dem Weißen Hirsch, sondern auch mutige Kontrastgemeinschaften – etwa in der Initiative »Sozialer Friedensdienst«, die am 9. Mai 1981 erklärte: »Wir suchen weiter nach Wegen zum Frieden. Die ›Ehrfurcht vor dem

Weitere Kostenlose Bücher