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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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auch militärischer. Dassaber Rüstung nicht zum Frieden führt, sondern Krieg immer wahrscheinlicher macht, war mir angesichts der Hochrüstung in Ost und West seit meiner Wehrdienstverweigerung von 1962 klargeworden.
    Die Sowjetunion hatte bereits 1959 ein pazifistisches Symbol vor der UNO in New York errichten lassen: einen von Jewgeni Wutschetitsch geradezu monströs gestalteten Schmied, auf dem Sockel in Englisch das Micha-Zitat »Schwerter zu Pflugscharen«. Eine gefährliche Parole gegen alle Vor- und Nachrüstung. So schlug es wie ein Meteorit im Herbst 1980 ein, als das Prophetenwort, das lang übergangen worden war, zum Motto der unabhängigen Friedensbewegung wurde. Uns ging es darum, die Konversion des Denkens, der Politik und der Waffen einzuleiten. Gesinnungsethisch und verantwortungsethisch! Dann wurde ein mit diesem Wort bedrucktes Flanell verboten, die Träger drangsaliert. Das Symbol wurde zugleich ein Hoffnungs- und Erkennungszeichen. Wir wollten Frieden mit Mitteln des Friedens.
    Wir machten in Wittenberg ernst damit. Ein Schmied machte sich am 24. September 1983 im Lutherhof an die Arbeit. Das sollten Schläge mit einem positiven Nachhall im Gedächtnis für alle werden, die es miterlebt hatten – über nunmehr fast 30 Jahre hinweg.
    Diese Hammerschläge haben sich mir – wie einigen Hundert anderen – eingeprägt, bleiben mir unvergesslich. In jener lauen Septembernacht setzten wir neben Luthers Wohnhaus ein Signal in einer bedrückenden Schweigezeit, wo man das uralte Prophetenwort Jesajas und Michas für staatsgefährdend hielt und viele junge Leute ihren Kopf dafür hinhielten. Kaum einer der Besucher des »Abends der Begegnung« hatte gewusst, was da losgehen würde. Nur ein Amboss hatte bis 21.30 Neugier weckend dagestanden. Es wurden Texte vorgetragen und gesungen. Die große Völkerversöhnungs-Visiondes Jesaja wurde gelesen, wonach die Völker nicht mehr lernen sollten, Krieg zu führen, und ihre knappen Ressourcen nur noch für den Brotacker und die Weinreben nutzen, also für das Lebensnotwendige und für die Lebensfreude zur Verfügung stellen. Aus einer Zukunfts vision : »Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden«, machten wir einen Imperativ : »Schmiedet das Schwert zu Pflugscharen!«, und wir erlebten in jener Nacht den Indikativ des Gelingens in einem Augen-Blick der Zeit. Das machte Mut, viel Mut, dem roten Friedensmilitarismus zu widerstehen und auf die Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen hinzuwirken, der SS-20 wie der Pershing II.
    Das kecke Lied »Vom Stehlen« konnte aufmüpfiger nicht sein. »Stiehl dem Soldaten den Tod, schenk ihn dem Herrn General!« Von der Band »Baltruweit« aus Hannover unterstützt, sangen wir aus voller Kehle, mit vollem Herzen: »Ein jeder braucht sein’ Brot, sein’ Wein, und Frieden ohne Furcht soll sein. Pflugscharen schmelzt aus Gewehren und Kanonen, dass wir in Frieden beisammen wohnen.« Das populäre Friedenslied der »Bots« vom weichen Wasser hatte bei uns eine ganz andere Bedeutung als im Westen: »Es reißt die stärksten Mauern ein, und sind wir schwach, und sind wir klein, das weiche Wasser bricht den Stein.« Das war – aus heutiger Sicht – schon so etwas wie die Vorwegnahme dessen, was im September 1989 aufbrechen sollte. Die unabhängige Friedensbewegung war immer auch Freiheitsbewegung, stärkte das mündige und widerständige Individuum, suchte nach Verwirklichung von sozialen und bürgerlichen Menschenrechten und hatte die Propaganda des geistlosen Politgerontokraten-Kartells der SED einfach satt.
    Alle hatten das Gefühl, sie würden mitschmieden – mit Lust und Schweiß, mit Beharrlichkeit und Zuversicht, mit Sachverstand und Begeisterung. Vor allem jüngere Menschen,dichtgedrängt, emotional berührt, riefen dem Schmied ein vielhundertfaches »Hoi! Hoi! Hoi!« anfeuernd zu. Dann wieder stilles, staunendes Zuhören. Was man später Konversion nennen sollte, beschrieb ich, während das Eisen wieder im Feuer lag, so:
    »Wenn wir umbauen / die Raketenmäntel zu Wasserbehältern / die Zerstörer zu Passagierdampfern / Wenn wir umdenken / die Feinde in Partner / die Macht in Verantwortung / Wenn wir umsetzen die Worte in Taten / die Träume in Wirklichkeit / Dann können wir auch auf das geschundene Wort / Frieden / verzichten.
    Paulus hat sein Schwert verloren/und kanns nicht wiederfinden.
    Es sollte eigentlich nach New York, aber dort sieht es gerade nicht gut aus – aber bei uns hier in Wittenberg,

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