Klassentreffen (German Edition)
zusammenreißen, um nicht laut loszuprusten.
»Also, wie ist es mit uns zwei Hübschen?« Karstens Blick ließ nicht von Meike ab.
»Lass mich in Ruhe«, zischte Meike. Es brodelte gewaltig in ihr.
»Überleg es dir gut. Ich warne dich.« Karsten deutete einen Kussmund an. Dann drehte er sich um und gesellte sich zu den Schülern auf die Tanzfläche.
Abschätzig sah Meike ihm nach und verschränkte die Hände vor der Brust. Sie durfte sich von Karsten nicht unter Druck setzen lassen. Auf keinen Fall. Ihre Zähne pressten sich fest aufeinander, bis ihre Kiefermuskeln schmerzten. Warum hatte Karsten es nur so auf sie abgesehen?
»Darf ich mich zu Ihnen setzen? Oder stör ich?« Janas Stimme unterbrach Meikes verärgertes Grübeln.
»Nein, du störst nicht. Wobei auch?« Meike bemühte sich, fröhlich zu klingen.
»Ich dachte nur . . . Sie sahen so in Gedanken versunken aus«, sagte Jana und rückte sich einen Stuhl zurecht. Sie nippte an ihrer Cola. »Ich . . .«, setzte sie an, brach dann aber ab. Stattdessen starte sie geradeaus.
»Was kann ich für dich tun, Jana?«, half Meike nach.
Jana räusperte sich. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich . . . dass ich mich verliebt habe.« Mit beiden Händen fuhr sie sich durch die Haare.
Meike nickte. »Das hast du.«
Jana verknotete ihre Finger ineinander. »Und ich bin mir mittlerweile auch ganz sicher. Also, dass ich sie wirklich liebe. Auch wenn sie eine Frau ist. Aber . . .« Sie stockte. Ihr Fuß wippte auf und ab.
»Möchtest du mir verraten, wer es ist?«
Janas Blick wanderte zur Tanzfläche. Ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie ihre Mitschülerin entdeckte. »Tabea«, flüsterte sie.
Meike sah Jana forschend an. »Weiß sie es?«
Jana schüttelte den Kopf. »Bisher nicht. Meinen Sie, ich sollte es ihr sagen?« Sie ließ die Schultern hängen. »Ich weiß nicht, ob ich mich das traue. Was, wenn sie mich danach hasst?«
»Glaubst du das denn?«, fragte Meike.
»Eigentlich nicht. Sie hat manchmal schon so Andeutungen gemacht. Aber vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, weil ich es mir so wünsche.« Jana kaute auf ihrem Fingernagel herum.
»Ach, Jana. Manchmal muss man etwas wagen, um sein Glück zu finden. Das kannst du mir glauben. Aus eigener Erfahrung.« Meike nahm Janas Hand. »Es ist nicht einfach, mit seinen Gefühlen umzugehen . . . dazu zu stehen.«
Tabea sah zu ihnen hinüber und lächelte Jana an.
Jana seufzte. »Ja. Das stimmt.«
»Und vielleicht fühlt Tabea für dich das Gleiche und traut sich nur ebenso wenig, dir davon zu erzählen.«
»Meinen Sie?« Janas Miene hellte sich auf.
»So, wie sie dich anguckt.« Meike zwinkerte Jana zu. »Ich könnte es mir zumindest vorstellen.«
»Danke, Frau Jakobs.« Jana stand auf. »Sie haben mir sehr geholfen.« Sie stieß entschlossen die Luft aus. »Ich glaube, ich habe etwas zu erledigen.«
»Viel Glück!« Meike schmunzelte.
Jana strich ihre Hose glatt und ging dann geradewegs auf Tabea zu. Tabea berührte Janas Arm, als Jana nah genug war. Jana beugte sich zu Tabea und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Es war viel zu laut, als dass Meike etwas hätte verstehen können. Aber das wollte sie auch gar nicht. Das ging nur die beiden etwas an. Noch einmal so jung sein, noch einmal dieses Gefühl des ersten Verliebtseins . . . Meike schloss die Augen. Sie sah sich mit Franzi in diesem ungemütlichen Gebüsch sitzen. Wie Franzi ihre Hand genommen hatte, behutsam ihren Arm entlanggestreichelt hatte. Wie sich ihre Lippen getroffen hatten. Meike hatte nicht gewusst, wie ihr geschah, aber es war wunderschön gewesen. Wie ein Traum.
Als Meike die Augen wieder öffnete, hielt Jana Tabeas Hand. Gemeinsam verließen sie den Raum, konnten ihre Blicke kaum voneinander lassen. Die Zuneigung war nicht zu übersehen.
Meike freute sich für ihre Schülerinnen. Vielleicht fanden sie wirklich zueinander, auch über diese Klassenfahrt hinaus. Wenn sie selbst doch nur auch etwas mutiger wäre. Warum konnte sie nicht Franzis Hand ergreifen? Was hielt sie davon ab? War es die Angst vor den Schülern? Die Angst vor ihren Eltern? Die Angst vor den Nachbarn? Aber warum hatte sie überhaupt Angst? Was sollte denn passieren?
Sie seufzte. Es hatte keinen Sinn, sich erneut darüber den Kopf zu zerbrechen. Das hatte sie oft genug getan. Erst einmal musste alles so bleiben, wie es war. Das war das Beste.
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M eike lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Gleich hatte sie
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