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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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sofort an zu galoppieren. Was passiert, wenn Olaf nicht gesteht?
    »Ich muss auflegen«, sage ich zu meinem Bruder. »Ich ruf dich morgen wieder an, okay?«
    »Du kommst also nicht mehr?«
    »Nein, bist du jetzt böse?«
    »Quatsch. Und grüble nicht zu viel, ja?« Er schickt ein paar Küsschen durchs Telefon und legt auf. Gleich darauf wähle ich die Handynummer von Hartog. Niemand geht dran. Ungeduldig wippe ich mit dem Fuß, bis mir eine nüchterne Stimme mitteilt, dass der Anschluss vorübergehend nicht erreichbar sei und ich auf der Voicemail eine Nachricht hinterlassen könne.
    »Guten Tag, Herr Hartog. Hier spricht Sabine Kroese«, sage ich. »Ich wüsste gern, wie das Verhör so läuft. Und ich würde gern wissen, ob ich ruhig schlafen kann oder ob Sie Olaf wieder haben laufen lassen. Würden Sie mir bitte kurz Bescheid geben? Danke.«
    Ich lege auf und fühle mich auf einmal todmüde. Eigentlich hatte ich noch in die Klinik fahren wollen, aber ich weiß nicht, ob ich die lange Fahrt nach Den Helder noch schaffe. Außerdem steht mein Auto ja noch vor Jeanines Haus.

    Mit dem Telefon in der Hand setze ich mich auf meinen sonnigen Balkon in einen Korbstuhl. Ich wähle Barts Nummer, er nimmt sofort ab. »Bart de Ruijter.«
    »Ich bin’s, Sabine.« sage ich.
    »Wann kommst du?«, fragt er ohne Umschweife.
    Ich lache ein wenig schuldbewusst. »Ich wollte heute Abend kommen, aber ich fürchte, ich kann nicht. Ich bin jetzt zu Hause, in Amsterdam, und fühle mich todmüde. Ich muss früh ins Bett.«
    »Ach«, sagt er enttäuscht. So enttäuscht, dass ich es mir fast anders überlege. Kann ich nicht doch schnell nach Den Helder düsen? Ich fahre mir über die pochende Stirn, hinter der sich ein heftiger Kopfschmerz entwickelt, und weiß, dass das unvernünftig wäre.
    »Es tut mir so Leid«, sage ich. »Aber es wäre unverantwortlich, wenn ich mich jetzt noch ans Steuer setzen würde.«
    »Dann solltest du das auch nicht tun«, sagt er verständnisvoll.
    »Tut mir wirklich Leid, Bart«, sage ich. »Weißt du, heute war so ein merkwürdiger Tag.«
    »Erzähl!«
    »Später«, sage ich. »Damit will ich dich jetzt nicht belasten. Du musst zusehen, dass du bald wieder gesund wirst, damit wir unseren gemeinsamen Sonntag nachholen können. Wie geht’s dir überhaupt?«
    »Prima«, sagt er, aber seine Stimme klingt müde und schwach. »Du fehlst mir.«
    »Und was ist mit Dagmar?«, frage ich.
    »Was soll mit Dagmar sein?«, fragt Bart zurück.
    »Ich hab sie in der Klinik im Wartezimmer gesehen. Sie war völlig durcheinander. Offen gestanden hatte ich den Eindruck, dass sie dich gern wiederhaben möchte.« Ich starre das Balkongitter an und fürchte mich vor Barts Antwort.
Womöglich sagt er jetzt, dass er die Scheidung auch bereut. Ich bin unendlich erleichtert, als er mit fester Stimme erklärt, dass er Dagmar auf keinen Fall zurückwolle, schon gar nicht jetzt, wo er mich getroffen habe.
    »Kannst du denn wirklich nicht kommen?«, fragt er wie ein kleines Kind, das sich mit einer Enttäuschung nicht abfinden mag. »Ach nein, lass nur. Du hast schon Recht, wenn du zu müde bist, solltest du nicht fahren. Du hörst dich auch erschöpft an. Was hast du denn in der Zwischenzeit alles gemacht?«
    »Das ist eine lange Geschichte.« Ich habe absolut nicht vor, Bart zu beunruhigen, indem ich erzähle, dass Olaf mir nachstellt.
    »Ich hab Zeit«, sagt Bart, und sein Tonfall verrät mir, dass ihn meine Zurückhaltung kränkt. Deshalb sage ich rasch: »Isabel ist gefunden worden.«
    Der Satz hat die erwartete Wirkung.
    »Was?«, ruft Bart.
    »In den Dunklen Dünen , genau an der Stelle, die ich im Traum gesehen habe«, sage ich. »Ich hatte der Polizei gesagt, dass sie dort mal graben sollen, und heute Morgen haben sie mich angerufen. Sie haben tatsächlich gegraben und sie gefunden. Ich hab den ganzen Tag auf dem Revier gesessen.« Das ist zwar übertrieben, aber eine plausible Erklärung für meine Müdigkeit.
    »Du lieber Himmel«, sagt Bart. »Weiß man denn schon, wie sie umgekommen ist?«
    »Sie wurde erwürgt.«
    Tiefe Stille.
    »Und jetzt?«, fragt er.
    »Abwarten. Die Polizei ermittelt.«
    »Rufst du mich an, wenn du was hörst?«, fragt Bart, und ich verspreche es. Nach endlos vielen Küsschen und Ichliebe-dich-Versicherungen
legen wir auf. Ich lasse das Telefon in den Schoß fallen und richte den Blick auf die von der Abendsonne beschienenen Häuser gegenüber.
     
    Mitten in der Nacht gellt die Haustürklingel durch

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