Klassentreffen
Bad, ein bisschen fernsehen und früh schlafen gehen.
Und genau das mache ich an diesem Abend, aber ich schlafe unruhig in dem fremden Bett. Die Matratze ist zu weich, die Bettdecke zu dick, und es riecht ungewohnt. Ich schlafe nicht gern in fremden Betten. Schon als Kind mochte ich nicht gern bei anderen Leuten übernachten. Wenn Cousins oder Cousinen bei uns schliefen, fand ich das toll, aber ich ging nie gern zu ihnen.
Am nächsten Morgen um acht weckt mich das durchdringende Piepsen meines Handyweckers. Verschlafen setze ich mich auf und stelle ihn ab. Ich rufe im Büro an und bete, dass Zinzy drangeht, aber es ist Margot. Kurz und bündig teile ich ihr mit, dass ich umständehalber noch einen Tag Urlaub nehmen muss.
»Schon wieder? Sabine, so geht das nicht weiter!«, sagt sie scharf.
»Warum nicht?«, erkundige ich mich. »Ich hab noch genügend Urlaubstage. Und selbst wenn ich sie alle auf einmal nehme, hast du nicht darüber zu entscheiden.« Ohne ihren Kommentar abzuwarten, lege ich auf. Anders als noch vor ein paar Wochen habe ich die Arbeit gleich wieder vergessen. Das ist eine andere Welt, die nun ganz weit weg zu sein scheint. Ich lege mich wieder hin, um noch ein paar Minuten zu dösen, schlafe aber noch mal richtig ein. Als ein heller Lichtstrahl durch den Vorhangspalt auf mein Gesicht fällt, spähe ich durch die Wimpern auf meine Uhr. Fast halb zehn! Die Besuchszeit fängt gleich an! Ich schwinge die Beine über die Bettkante und greife zum Handy. Zu meiner Freude habe ich eine SMS von Bart, aber die Freude schlägt in Frust um, als ich die Nachricht lese: »Du fehlst mir. Kannst du heute Abend kommen? Am Vormittag ist Dagmar mit Kim da.«
»Na toll«, sage ich grimmig. »Und was soll ich bis dahin machen?«
Nachdenklich schaue ich durchs Fenster in den klarblauen Himmel. Ob Olaf jetzt in der BANK ist? Wahrscheinlich, ich wüsste nicht, warum er sich freinehmen sollte. Es sei denn, er hockt noch immer in meiner Wohnung rum und wartet.
Ich rufe meine eigene Nummer an, aber niemand nimmt ab. Anschließend wähle ich die Nummer der BANK, lasse mich
zur EDV durchstellen und kriege Olaf an die Strippe. Ich lege sofort auf und bin froh, dass er keine Nummernanzeige hat. Zumindest nehme ich das an. Die Apparate im Sekretariat haben jedenfalls keine.
Ich dusche schnell, schlüpfe in die Kleider und muss zu meinem Leidwesen feststellen, dass der Pulli nicht mehr frisch riecht. Egal, nach dem Frühstück gehe ich sowieso nach Hause. In Den Helder habe ich nichts mehr zu suchen. Heute Abend fahre ich dann noch mal mit dem Auto her, ins Krankenhaus.
Ich nehme meine Tasche, gehe in den Speiseraum und setze mich an einen Fenstertisch. Ich blicke auf die Dünen, über denen sich ein strahlend blauer Himmel wölbt – und das an einem ganz normalen Dienstagmorgen. Unter anderen Umständen hätte ich den Anblick eine Weile genossen und wäre vielleicht später noch an den Strand gegangen.
Ich bediene mich am Frühstücksbüfett und klopfe gerade an der Tischkante mein Ei auf, als das Handy klingelt. Zum Glück sind nicht viele Leute im Speiseraum; die meisten Tische sind leer.
»Sabine Kroese«, melde ich mich.
»Hier Rolf Hartog, Kripo Den Helder. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Angaben überprüft haben, Fräulein Kroese.«
»Tatsächlich?«, sage ich atemlos.
»Am frühen Morgen hat mein Team in den Dunklen Dünen Nachforschungen angestellt« erklärt Hartog.
Mein Herz pumpt das Blut so schnell durch den Körper, dass mir schwindlig wird. Mit einer Hand stütze ich meinen Kopf ab, mit der anderen, die heftig zittert, presse ich das Handy ans Ohr.
»Ich würde Sie gern sprechen, Fräulein Kroese.«
»Warum? Was ist passiert?«
»Es ist so, wie Sie gesagt haben«, sagt Hartog ernst. »Wir haben an der Stelle, die Sie bezeichnet haben, gegraben.«
Mein Herz setzt ein paar Schläge aus. »Und?«, frage ich gespannt.
»Wir haben tatsächlich die sterblichen Überreste von Isabel Hartman gefunden, sie waren gar nicht mal sehr tief vergraben. Sie ist erwürgt worden.«
Binnen einer halben Stunde bin ich wieder auf dem Revier. In fliegender Eile habe ich mit einer Hand meine Sachen zusammengerafft und mir mit der anderen ein schnell geschmiertes Brötchen reingestopft.
Jetzt stellt Hartog einen dampfenden Kaffee vor mich hin und sieht zu, wie ich Milch hineingieße.
Die Tür geht auf und eine uniformierte Frau tritt ein. »Fabienne Luiting«, sagt sie und gibt mir die Hand. Ich
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