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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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raus.«
    Ich stehe auf und werfe durchs Fenster einen Blick in den Garten hinterm Haus. Er ist ungepflegt, verwildert und an drei Seiten durch einen Bretterzaun begrenzt. Im hohen Gras sehe ich vor dem Zaun mehrere große Erdhügel wie überdimensionale Maulwurfshaufen.
    Herr Groesbeek folgt meinem Blick und sagt: »Antje ist tot.«

    Ich nicke mitfühlend und gehe zur Tür. Vier Katzen kommen angelaufen und folgen mir in den Flur. Sofort steht Herr Groesbeek auf.
    »Halt! Belle und Anne, hier geblieben!« Er scheucht die Katzen ins Wohnzimmer zurück und macht die Tür zu. Wir sind allein im Flur.
    »Wie viele Katzen haben Sie eigentlich?«, frage ich.
    »Sechs«, sagt er. »Ich bin ein Katzenmensch. Manche Leute sind Hundemenschen, andere sind Katzenmenschen. Hundemenschen kann ich nicht ausstehen. Was bist du?«
    Er steht zu dicht neben mir. Viel zu dicht. Ich nehme seinen Altmännergeruch wahr, sehe die Schuppen auf der kahlen Kopfhaut. Er steht zwischen mir und der Haustür.
    »Ich mag Katzen auch sehr gern«, sage ich gepresst.
    Zufrieden nickt er und tritt einen Schritt beiseite. Ich dränge mich an ihm vorbei.
    »Komm ruhig mal wieder!«, ruft er freundlich.
    Ich nicke lächelnd. Schnell steige ich in mein Auto, da kommt mir eine Idee. Ich fahre bis zur nächsten Straßenecke und steige wieder aus. Irgendwie komme ich mir albern vor, als ich in eine dunkle Gasse husche und zur Rückseite der Häuserzeile schleiche. Ich zähle die Häuser und bleibe vor Groesbeeks Garten stehen. Vorsichtig drücke ich die Klinke der schief in den Angeln hängenden Gartentür. Die Tür ist abgeschlossen. Ich betrachte den Zaun – die Bretter scheinen mir zu morsch, um mich daran hochzuziehen. Aber die Mülltonne neben der Gartentür, die eignet sich als Trittbrett. Sie ist ein bisschen zu hoch, doch als ich sie auf die Seite lege, kann ich gerade eben über den Zaun spähen. Meine Güte, was für ein Urwald! Falls Antje früher für den Garten zuständig war, sieht man hier überdeutlich, dass sie schon einige Jahre tot ist. Keine einzige Blume ist da, nur
Unkraut, das sogar die länglichen Hügel überwuchert. Ich versuche ihre Größe abzuschätzen. Ob das Rabatten sind? Dann müssten sie aber einheitlich hoch sein. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.
    Ein Junge biegt mit dem Rad in die Gasse ein und sieht mich im Vorüberfahren so verwundert an, dass ich von der Tonne springe. Ich stelle sie wieder ordentlich hin und lächle dem Radfahrer zu, der sich umschaut und dabei ins Schlingern gerät. Dann gehe ich wieder zum Auto. Meine Arme und Beine fangen an zu jucken. Ich kratze mich und sehe, dass ich von roten Flecken übersät bin. Am liebsten würde ich jetzt nach Hause fahren und duschen, um die Katzenhaare loszuwerden, aber das ist nicht drin. Ich bin hier noch nicht fertig.
    Mit einem Seufzer setze ich mich ans Steuer und kurble das Fenster ganz runter – trotzdem habe ich nach wie vor den Katzengestank in der Nase.
     
    »Sie hätten vorher anrufen müssen«, sagt die Dame von der Heldersche Courant streng. »Dann hätten wir die Informationen für Sie raussuchen können.«
    »Tut mir Leid«, sage ich. »Das wusste ich nicht. Kann ich die Artikel nicht jetzt einsehen? Ich bin extra den weiten Weg aus Amsterdam hergekommen.«
    Unwillig dreht sich die Frau um und greift zum Telefon.
    »Niek? Den Themenordner mit den Vermisstenfällen, kannst du den vielleicht raufschicken?«
    Sie lauscht auf die Antwort und legt dann wieder auf. »Wenn Sie eine Viertelstunde warten können …«
    »Aber sicher. Ich rauche draußen eine Zigarette. Rufen Sie mich dann einfach.«
    Sie sieht mich an, als wollte sie sagen, sie hätte Wichtigeres zu tun, nickt dann aber. Ich gehe ins Freie. Zünde
meine letzte Zigarette an und versuche, mit dem Ärmel möglichst viele Katzenhaare von meinem Rock zu wischen. Nach zehn Minuten wird ans Fenster geklopft. Ich gehe rein und folge der Frau in einen Raum mit reihenweise Ordnern. Entlang der Wand stehen Tische, auf denen man die Unterlagen einsehen kann. Ein junger Mann legt einen Ordner auf den Tisch.
    »Der hier ist es. Alle Vermisstenfälle der letzten zwanzig Jahre.«
    »Danke.« Ich nehme mir einen Stuhl und setze mich. Als ich den Ordner aufschlage, steigt mir ein muffiger Geruch nach Druckerschwärze und altem Papier in die Nase. Ich überfliege die Überschriften der vergilbten Zeitungsausschnitte.

MÄDCHEN ERMORDET AUFGEFUNDEN KEINE SPUR VON ANNE-SOPHIE (16) LISET, WO BIST DU?

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