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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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hat.
    Ich sehe mich mit dem Rad am Wegrand stehen, um mich herum so viel dichtes Grün – Gebüsch, Zweige und Baumstämme -, dass mich die beiden auf keinen Fall sehen können. Sie sehen mich auch nicht, als sich Isabel losreißt, in den Wald hineinrennt und ihr der Typ etwas nachschreit.
    Ich verlasse den Waldweg und schlage mich in die Büsche, die heute viel dichter sind als vor neun Jahren. Wie damals folge ich Isabel. Ihr Widersacher ist nirgends mehr zu sehen. Ist er fort? Oder wartet er woanders im Wald, um ihr den Weg abzuschneiden?
    Ich gehe zur Lichtung, finde blindlings den Weg. Ich brauche nur der Ahnung in mir zu folgen; sie lotst mich dorthin, wo ich nie sein wollte. Der Wald lichtet sich, Sand dämpft meine Schritte, und da ist sie: die Lichtung. Die Bäume stehen hier weit auseinander, und dahinter ist der erste Dünenhang zu sehen.
    Aus dem Schatten zweier Bäume spähe ich zu der sandigen Lichtung vor mir. Sonnenlicht fällt mir ins Gesicht und blendet mich. Ich blinzle, schirme die Augen mit der Hand ab, mache einen Schritt nach vorn … und sehe Isabel dort liegen, schwarzes Haar auf hellem Sand.
    Auf dem Nachhauseweg im Auto geht mir das Bild nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe zwar Gedächtnislücken, aber es sind keine schwarzen, bodenlosen Abgründe mehr. Ein dichter Schleier liegt darüber, den ich durchdringen will, noch ist er aber zu undurchsichtig.
    Ich fahre in den dunklen Wijkertunnel, und als ich am anderen Ende wieder ins Licht komme, habe ich Den Helder und alles, was mich mit dieser Stadt verbindet, hinter mir gelassen. Ich bin wieder in meinem vertrauten Leben, und die Schilder mit der Aufschrift Bos en Lommer entlocken mir ein erleichtertes Lächeln, ganz so, als wäre ich einer großen Gefahr entronnen.
    Die Parkplatzsuche kostet mich eine gute Viertelstunde. Schließlich zwänge ich meinen Kleinwagen zwischen zwei Autos, schiebe mit der Stoßstange das eine ein Stückchen zurück und das andere ein Stückchen vor – dann komme ich zum Stehen. Perfekt eingeparkt!

    Ich steige aus, gehe durch meine Straße und schaue hoch zu meiner Wohnung. Die Sonne spiegelt sich in den Fenstern, die Warnsignale auszusenden scheinen. Mich beschleicht ein seltsames Unbehagen.
    Meine Schritte auf der Treppe klingen anders als sonst. Nicht fest und sicher, wie von jemandem, der nach Hause kommt und sich auf seine gemütliche Wohnung freut. Nein, ich gehe ganz leise, und mein Herz scheint die Anstrengung des Treppensteigens kaum zu verkraften. Oben angekommen, starre ich misstrauisch auf die Tür.
    War jemand in meiner Wohnung?
    Ich drücke die Klinke – die Tür ist abgeschlossen. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss, drehe ihn um und stoße die Tür weit auf. Wie eine gewiefte Krimiheldin bleibe ich vorsichtshalber erst einmal stehen. Ich ärgere mich immer maßlos über diese vorhersehbaren Thrillerszenen: Die Heldin wittert Gefahr und schleicht zitternd in ihre dunkle, auf den Kopf gestellte Wohnung. Dass sie sich nach einer Waffe umsehen, die Polizei rufen oder einfach nur Licht machen könnte, kommt ihr offenbar nicht in den Sinn.
    In meiner Wohnung ist es nicht dunkel. Und sie wurde auch nicht auf den Kopf gestellt. Aber es war jemand drin.
    Ich sehe es von der Schwelle aus, durch die offene Wohnzimmertür. Ein Strauß roter Rosen steht auf dem Tisch, hübsch arrangiert in einer Vase.
    Gefährlich wirken sie nicht direkt, die Rosen. Trotzdem kostet es mich Überwindung, die Wohnung zu betreten. Mir fällt nur ein Mensch ein, dem ich so eine romantische Geste zutraue. Aber wie kommt der an meinen Schlüssel?
    Mit gemischten Gefühlen gehe ich zum Tisch und drehe das Kärtchen um, das an einer der Rosen hängt. Der Text ist nicht so romantisch wie erwartet: Ruf mich an. Olaf.

KAPITEL 26
    »Sabine, bist du zu Hause? Wo steckst du denn? Ruf mich an, sobald du diese Nachricht abhörst!« Zinzys Stimme klingt gehetzt und nervös. Den Blick auf Olafs Rosen gerichtet und das Kärtchen noch in der Hand, höre ich den Anrufbeantworter ab.
    Am Nummerndisplay sehe ich, dass sie vom Büro aus anruft. Prompt ist das ungute Gefühl wieder da, schlimmer noch als vorhin, als ich voll banger Erwartung die Treppe hochschlich. Mist, ich hatte mich ja krank gemeldet! Ich probe kurz meine Verteidigung: »Ich hab den ganzen Nachmittag über im Bett gelegen. Nein, das Telefon hab ich überhaupt nicht gehört. Bis auf ein Mal, aber mir war so elend, dass ich nicht aufstehen konnte. Doch, jetzt geht’s wieder

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