Klassentreffen
einigermaßen; keine Ahnung, was das war.«
Ich gucke auf die Uhr. Es ist noch nicht sechs, also rufe ich im Büro an. Zinzy nimmt ab.
»Hallo, Sabine am Apparat. Hör mal, ich hab den ganzen Nachmittag über im Bett gelegen und …«
»Sabine, bin ich froh, dass du anrufst!«, unterbricht mich Zinzy. »Renée hatte einen Unfall!«
Ich kann nicht behaupten, dass mir das einen Riesenschrecken einjagt. Mein erster Gedanke ist: Geschieht ihr ganz recht. Ich muss mich beherrschen, dass ich es nicht auch noch ausspreche.
Stattdessen sage ich betroffen: »Ach du lieber Himmel! Was ist denn passiert?«
»In ihrer Wohnung hat es gebrannt. Sie hatte heute Nachmittag frei, und das Feuer ist ausgebrochen, als sie unter der Dusche stand.«
»Wie, sie war zu Hause?«
»Ja. Wohnzimmer und Flur waren schon voller Rauch, da ist sie vom Küchenbalkon auf die Straße gesprungen.«
Sekundenlang ist es still. Das beeindruckt mich jetzt doch.
»Und? Was ist mit ihr?«
»Sie wohnt im ersten Stock, also war der Sprung nicht so dramatisch. Sie ist allerdings recht unglücklich gelandet. Ich weiß nicht genau, was sie hat; wir haben vorhin einen Anruf bekommen, dass sie auf der Intensivstation liegt.«
Nun bin ich doch bestürzt. »Ist sie denn in Lebensgefahr?«
»Keine Ahnung. Morgen besuchen wir sie. Das heißt, wenn sie uns zu ihr lassen. Vielleicht darf vorerst nur die Familie sie besuchen.«
Zinzy fragt nicht, ob ich mitkomme, und ich schlage es auch nicht vor.
»Ich fand, du solltest Bescheid wissen«, sagt Zinzy. »Hier reden alle darüber. Es wäre komisch, wenn du morgen völlig ahnungslos ins Büro kämst.«
»Stimmt. Danke, Zinzy.«
»Bis morgen, Sabine.«
Ich lege auf und sehe, dass der Anrufbeantworter immer noch blinkt. Noch eine Nachricht. Olafs Stimme hallt durch die Wohnung. »Hallo, meine Schöne! Ich schätze mal, du bist wieder mal in Den Helder. Ich wollte dir nur sagen, dass ich an dich denke und finde, dass wir uns viel zu selten sehen. Gefallen dir die Blumen? Falls du dich persönlich bedanken willst, hast du heute Abend Gelegenheit dazu: Um sieben im Walem, okay?«
Ich betrachte das Kärtchen in meiner Hand. Nach dem aggressiven Ausfall vom Sonntag weiß ich nicht, ob ich Lust
dazu habe. Aber dann beschließe ich, ihm noch eine Chance zu geben.
Das Walem ist ein cooles Restaurant an der Keizersgracht. Ein langer Schlauch mit Designermöbeln, Granitfußboden und stets besetzten Tischen. Ich war schon mal dort; man saß zwar nicht bequem auf den Stühlen, aber das Essen war gut, und die Atmosphäre noch besser.
Fast erwarte ich, Olaf mit einer Rose zwischen den Zähnen an einem der reservierten Tische zu erblicken, aber ich kann ihn unter den speisenden und plaudernden Gästen nirgendwo entdecken. Lässig lehne ich mich an die Bar, als wollte ich nur ein Getränk bestellen und würde keineswegs warten. Ich nehme ein Pfefferminz aus einer übervollen Schale, gucke verstohlen auf meine Uhr und rege mich auf.
Viertel nach sieben. Ich selbst war schon spät dran, und er ist noch nicht mal in Sicht! Wenn ich was nicht ausstehen kann, dann Männer, die es mit Verabredungen nicht so genau nehmen.
Ich drehe mich um, reiße die Tür auf und stoße auf der Straße mit Olaf zusammen.
»Na so was, du bist ja schon da!«, ruft er munter.
»Ja«, sage ich mürrisch.
Er legt mir den Arm um die Taille, zieht mich an sich und küsst mich auf den Mund.
»Wir sehen uns viel zu selten«, sagt er mit ernster Miene. »Das muss sich ändern. Komm, wir gehen rein!«
»Hast du reserviert?«, frage ich. »Es ist nämlich proppenvoll!«
»Wir finden schon ein Plätzchen.« Olaf lässt mich auf der Straße stehen und geht mit großen Schritten ins Restaurant. Ein Wunder, dass ich nicht auch noch die Tür ins Gesicht kriege.
»Danke sehr!«, sage ich, aber er hört mich gar nicht.
Also gehe ich ihm nach. In dem schmalen Durchgang sind alle Tische besetzt, aber hinten, bei der Terrassentür, legt ein Paar in unserem Alter gerade einen Fünfzig-Euro-Schein auf ein Tellerchen.
Olaf saust auf den Tisch zu und kommt gerade noch einem älteren Herrn und einer Dame zuvor, die offenbar schon eine ganze Weile gewartet haben. Mit entwaffnendem Grinsen legt er eine Hand auf die Stuhllehne und sagt zu den jungen Leuten: »Sie gehen wohl gerade? Das passt ja ausgezeichnet!«
Das Mädchen steht lächelnd auf.
»Voll hier, was?«, sagt sie. »Setzen Sie sich ruhig. Wir zahlen an der Bar. Komm, John.«
Ich zögere, aber
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