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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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Stunde lang suchten wir das ganze Jahrmarktgelände ab, aber das Rad war und blieb verschwunden. Betreten sahen wir uns an, dann fiel Isabels Blick auf einen Jungen, den sie kannte und der gerade auf sein Moped stieg. Nachdem sie ein paar Worte mit ihm gewechselt hatte, saß sie bei ihm hinten auf, winkte mir zu, und weg waren die beiden. Inzwischen war es elf, und unter den Jahrmarktbesuchern waren immer mehr Betrunkene. Lallend kam eine Gruppe zwischen der Schießbude und dem Riesenrad auf mich zugetorkelt. Ich stieg hastig aufs Rad und sauste
davon, raus aus der Stadt, die stille Lange Vliet entlang. Inzwischen war es stockdunkel. Ab und zu überholte mich ein Auto oder Motorrad, und mir blieb jedes Mal fast das Herz stehen vor lauter Angst, weil die Strecke so einsam war. Sicherlich wäre es vernünftiger gewesen, ich hätte meinen Vater oder Robin angerufen und mich abholen lassen, aber so weit dachte ich einfach nicht. Ich war völlig perplex, weil mich meine beste Freundin einfach so hatte stehen lassen, obwohl ich eine Stunde lang mit nach ihrem Rad gesucht hatte.
    Wahrscheinlich war ich wirklich eine zu gute Freundin. Meine Mutter hat immer versucht, mir eine gesunde Portion Egoismus einzuimpfen, aber für mich war eine Freundin nun mal eine Freundin, und ihr verzieh ich alles. Jedes Mal aufs Neue.
     
    Ich stelle das Auto in der Nähe des Parks ab, in dem ich vor kurzem Bart begegnet bin, und betrachte das Schulgebäude. Plötzlich habe ich absolut keine Lust mehr auf das Treffen; nur die Aussicht, dass ich Bart heute Abend sehen werde, hält mich davon ab, kehrtzumachen und wieder nach Amsterdam zu fahren.
    Mit einem tiefen Seufzer nehme ich meine Tasche, mache die Autotür auf und schwinge meine sonnengebräunten Beine hinaus. Zum Glück sehe ich gut aus, besser denn je. Ich trage meinen neuen Wildlederrock, dazu ein Top in verschiedenen Rosatönen, das gut zu meiner leichten Sommerbräune passt. Das Haar habe ich mit einer Spange hochgesteckt, und als ich mein Äußeres im Rückspiegel kontrolliere, bin ich vollauf zufrieden. Das gibt Selbstvertrauen. Ich schließe das Auto ab und gehe mit festen Schritten auf den Haupteingang zu. Denen werde ich’s zeigen!
    Leider verpufft die Wirkung meines Auftritts, weil ich zu früh dran bin. Viel zu früh; die Aula ist noch so gut wie leer.
Rasch lasse ich den Blick über die paar Leute schweifen, die schon da sind, erkenne aber keinen. Es ist ein Treffen für die ganze Schule, also sind auch ehemalige Schüler anderer Jahrgänge da.
    Ich gehe ein wenig herum und suche am schwarzen Brett in der Pausenhalle nach Namen von Lehrern, die ich noch kenne. Später, auf der Toilette, lese ich die Sprüche an Tür und Wänden – Hetzparolen gegen heutige Schüler. Sie tun mir in der Seele Leid.
    Ich verlasse die Klokabine, wasche mir an dem kleinen Becken die Hände und kontrolliere im Spiegel mein Make-up. Alles in Ordnung, nichts nachzubessern – ich sehe wirklich gut aus. Schultern zurück, Brust raus, Sabine! Du schaffst das!
    Ich hole tief Luft und gehe in die Pausenhalle. Sie füllt sich langsam mit Leuten, die ihre Pubertät längst hinter sich gelassen haben, alle haben den gleichen wehmütigen Gesichtsausdruck. Ich erkenne Mirjam Visser, obwohl sie ordentlich zugenommen hat. Sie lacht jemanden an, reichlich übertrieben und – meine Güte, was ist bloß mit ihren Zähnen passiert? Die fallen ihr ja fast aus dem Mund! Auf einmal bin ich unendlich dankbar für meine hässliche Zahnspange, die mich damals in der Schule zum Gespött machte.
    Mit kritischem Blick mustere ich die Neuankömmlinge. Ich erkenne viele, aber nur, weil ich weiß, wen ich hier zu erwarten habe – auf der Straße wäre ich wohl an den meisten vorbeigelaufen. Meine Augen suchen Bart, finden ihn aber nicht. Er wird mich doch hoffentlich nicht im Stich lassen? Wo ich doch nur wegen ihm gekommen bin!
    »Sabine Kroese? Bist du es wirklich?« Eine Hand legt sich auf meine Schulter, ich drehe mich automatisch um und blicke in das mir vollkommen unbekannte Gesicht einer etwa gleichaltrigen Frau.

    »Ach, hallo!«, sage ich mit vagem Lächeln.
    »Ich dachte gerade, das musst doch du sein, aber eigentlich konnte ich es nicht so recht glauben. Du bist so … anders!«, sagt sie. »Ist doch’ne super Idee, so ein Ehemaligentreffen, findest du nicht? Macht total Spaß! Wen hast du denn schon alles gesehen?«
    »Hmmm …«, mache ich. »Diesen und jenen …«
    »Bart de Ruijter ist auch da«, vertraut

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