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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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sie mir an. »Ich hab gerade mit ihm gesprochen. Bist du nicht früher mit dem gegangen? Der sieht immer noch unverschämt gut aus – man glaubt es nicht!«
    Ich überlege nicht lange, woher sie wohl weiß, dass ich mit Bart de Ruijter gegangen bin, sondern spähe neugierig in die Runde. »Wo hast du Bart gesehen?«
    Meine unbekannte Gesprächspartnerin nickt in Richtung der inzwischen überfüllten Aula. »Da drüben, an der Bar. Du, ich geh mal weiter, wenn ich mich nämlich nicht täusche … genau, da steht Karin! Na so was! Karin, Karin!« Sie ruft und winkt, und ich mache mich davon in Richtung Bar.
    Dort ist es proppenvoll, aber Bart ist natürlich längst woanders. Ich bestelle ein Glas Wein, drehe mich um und sehe Mirjam Visser vor mir.
    »Hallo!«, sagt sie gedehnt. »Sabine, stimmt’s? Ja, gibt’s denn so was! Dass du auch gekommen bist!«
    »Das Treffen hätte ich mir nie entgehen lassen«, sage ich. Irgendwo in der Menge habe ich Bart ausgemacht, aber er sieht mich nicht. Als ich mich bemerkbar machen will, ist er schon wieder verschwunden.
    »Hast du jemanden gesehen?«, fragt Mirjam. Sie trägt einen blauen Rock mit passendem Blazer, dazu eine Schleifenbluse, von der sie zweifellos glaubt, dass sie ihr hervorragend steht, in der sie aber wie ein Osterei aussieht.
    »Bart«, sage ich. »Bart de Ruijter.«

    Auf ihrem Gesicht meine ich nacheinander Entzücken, Erstaunen und schließlich Spott zu erkennen, als würde sie sich fragen, was um Himmels willen ich von Bart de Ruijter will. Mein Gott, wäre das schön, wenn er jetzt auf einmal neben mir stünde und mir den Arm um die Schultern legte. Aber ich sehe ihn nicht mal mehr, und wenn wir nicht den ganzen Abend aneinander vorbeilaufen wollen, muss ich ihn jetzt wohl suchen gehen.
    »Tschüs«, sage ich mitten in Mirjams Geschichte hinein, der ich gar nicht zugehört habe, und lasse sie stehen.
    Ich schaue nach links und rechts, stelle mich auf die Zehenspitzen, verrenke mir den Hals und kriege fast einen Herzinfarkt, als ich Olaf entdecke. Unsere Blicke treffen sich kurz, aber ich tue so, als hätte ich ihn nicht bewusst wahrgenommen, und zwänge mich durch die Menge in die andere Richtung.
    In dem Moment sehe ich Bart. Er steht mit ein paar Leuten am Haupteingang und raucht eine Zigarette. Meine alten Hemmungen gewinnen wieder die Oberhand, ich bleibe stehen. Eigentlich müsste ich jetzt mit festen Schritten weitergehen, die Hand auf seinen Arm legen und ebenso freudig wie selbstsicher sagen: »Bart! Wie schön, dich zu sehen!«
    Aber das kann ich nicht, und zwar aus dem ganz einfachen Grund, weil ich nicht selbstsicher genug bin. Womöglich guckt er mich völlig gleichgültig an, und ich stehe blöd da.
    Ich drehe mich um und sehe Mirjam oben an der Treppe zur Aula. Ihr Blick schweift über die vielen Köpfe und bleibt an Bart hängen. Dann sieht sie mich, und ihr abschätziger Gesichtsausdruck verwandelt sie wieder in das Mädchen von vor neun Jahren. Und nicht nur sie sieht mich an. Was auch immer mit Isabel geschehen sein mag, jetzt, in diesem Augenblick, steht sie neben Mirjam, und beide mustern mich voller Herablassung und Spott.

    Ich wende mich ab, als ich plötzlich das Mädchen sehe. Sie hat sich in eine Ecke verzogen. Mit hängenden Schultern und den Blick scheu auf Bart gerichtet, steht sie da, wie ein Hündchen, das darauf wartet, gestreichelt zu werden.
    Raus aus der Ecke!, rufe ich ihr in Gedanken zu. Hoch das Kinn, zeig, wer du bist!
    Erschrocken guckt sie weg. Am liebsten möchte ich sie durchschütteln, bis ihr die Zähne klappern, aber gleichzeitig erfüllt mich eine tiefe Traurigkeit.
    Jemand rempelt mich an und schüttet mir Cola über den Schuh. Derjenige merkt es nicht einmal, aber der klebrige Schwall bringt mich ins Hier und Heute zurück.
    Entschlossen gehe ich zum Haupteingang, lege die Hand auf Barts Arm und sage mit meinem charmantesten Lächeln: »Hallo, Bart!«
    Er redet immer noch mit seinen alten Freunden, aber als er mich ansieht, strahlt er auf einmal.
    »Sabine!« Er umfasst meine Arme, küsst mich dreimal auf die Wangen und zieht mich spielerisch an sich. Ich kann nur hoffen, dass alle es sehen.
    »Ich hab dich schon gesucht«, flüstert er mir ins Ohr. »Voll hier, was?«
    »Viel zu voll«, sage ich und genieße es, dass sein Atem meine Wange streift.
    »Gehen wir?«, schlägt er vor.
    »Gehen wir!«, stimme ich zu.
    Er fasst mich am Ellbogen und lotst mich ins Freie. Es ist ein warmer Abend, und wir haben beide

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