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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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Vertrautheit ein, sodass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, dass ich mich vorhin nicht getraut habe, Bart anzusprechen. Trotzdem bleibt es fürs Erste bei den unvermeidlichen »Lange nicht gesehen«-Floskeln.
    »Und was machst du so? Ich nehme an, du wohnst noch in Den Helder«, sage ich und bemühe mich um einen interessierten Tonfall. Das fällt mir nicht weiter schwer, weil es mich wirklich interessiert, obwohl ich ihm am liebsten sofort die entscheidende Frage stellen würde, ob er Frau und Kinder hat.
    »Ja, ich wohne hier ganz in der Nähe, in der Celebesstraat. Ich bin Journalist beim Noordhollands Dagblad .«
    »Du hast es also geschafft!«, sage ich überrascht.
    Er nickt und kickt ein Steinchen vor sich her. »Ja, das wollte ich schon immer«, sagt er. »Und wie geht’s dir so? Verliebt, verlobt, verheiratet?«
    »Nichts von alledem«, sage ich und bin froh, dass ich nicht lügen muss, wieder Single bin und dass er mich zum Ausgehen einladen kann. Vor meinem inneren Auge sehe ich uns bereits in einem hübschen kleinen Restaurant am Hafen sitzen, ganz nah beieinander, seine Hand auf meiner, sodass sie ganz darunter verschwindet und …
    Der Hund rennt auf uns zu, springt an Bart hoch. Der krault ihn lachend, wobei ich einen Blick auf seine Hand werfen kann. Der schmale goldene Ring ist nicht zu übersehen.
    »Du hast dich hier also erfolgreich niedergelassen«, sage ich munter, auch wenn mir meine Stimme leicht schrill in den Ohren klingt. »Eine gute Stelle, Hund, Frau, Kinder …« Mein Tonfall ist fragend, aber Bart geht nicht darauf ein.
    »Tja«, sagt er nur.
    »Was heißt hier, tja?« Um meine Enttäuschung zu verbergen, quassle ich einfach drauflos. »Das wollen wir doch letztlich
alle, oder? Trautes Heim, Glück allein. Na gut, alle vielleicht nicht, manche eignen sich einfach nicht für so ein Leben oder sind noch nicht so weit. Viele lassen sich heutzutage Zeit mit Job und Familie, und die Frauen kriegen ihre Kinder immer später, oft erst mit über dreißig. Das war früher anders, aber …«
    »Ich bin geschieden«, sagt Bart.
    Mein Mund klappt zu, der Redefluss versiegt abrupt.
    »Tatsächlich?«, sage ich und hoffe, dass er mir meine Begeisterung nicht zu sehr anmerkt. Bart guckt jedenfalls alles andere als begeistert, er wirkt eher deprimiert. Was bin ich doch nur für eine unsägliche Egoistin, dass ich mich über seine gescheiterte Beziehung freue! Als würde das automatisch heißen, dass er jetzt wieder etwas mit mir anfängt!
    »Tut mir Leid für dich.« Tröstend lege ich meine Hand auf seinen Arm, was mir recht heuchlerisch vorkommt. Bart fasst das zum Glück nicht so auf. Er schaut mich von der Seite an und lächelt dankbar.
    »Hast du Kinder?«, frage ich gespannt, und jede Faser in mir wünscht sich ein Nein.
    »Eine Tochter«, sagt Bart leise. »Sie ist sieben Monate alt. Wir haben abgemacht, dass sie bei ihrer Mutter bleibt, aber jedes zweite Wochenende verbringt Kim bei mir, und zwischendurch versuche ich, sie so oft wie möglich zu sehen.«
    Ich höre den Kummer in seiner Stimme und fühle mich auf einmal ganz klein und betreten. Trotzdem klopft mein Herz nach wie vor erwartungsvoll. Ein winzig kleines Mädchen, noch ein Baby, das nehme ich gern in Kauf. Auf kleine Kinder bin ich ganz versessen. Sie wird mich Tante Sabine nennen und an mir hängen. Wenn sie ein wenig älter ist, gehen wir mit ihr in den Freizeitpark De Efteling. Und die anderen Wochenenden verbringen wir allein zu zweit.

    Ich wünsche es mir. Ich wünsche es mir so sehr, und mit jedem Schritt, den wir weiter durch den Park gehen, mit jedem Stück Schmerz und Kummer, das mir Bart anvertraut, wächst mein Glaube, dass es möglich ist. Ich werde seine Rettung sein, seine Zuflucht, seine alte neue Liebe, und er wiederum wird meine Rettung. Wir brauchen uns.
    »Ich muss los«, sagt Bart. »Heute Vormittag hatte ich frei, aber jetzt muss ich in die Redaktion. Mist, jetzt weiß ich nicht mal, warum du heute in Den Helder bist.«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sage ich lächelnd und sehe ihm in die Augen, als könnte ihn mein Blick so weit bringen, dass er sich die Geschichte in dem hübschen kleinen Restaurant am Hafen anhört.
    Bart guckt auf seine Uhr und murmelt einen Fluch, als Rover mit einem Riesensatz in den Wassergraben springt. »Das hat mir gerade noch gefehlt!«, stöhnt er und steuert energisch den Graben an. »Rover! Hierher! Komm raus, aber sofort!«
    Ein tropfnasser Hund klettert aus dem Wasser

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