Klassentreffen
steht? An unserer Schule gab es auch eine Olga, wenn ich mich recht entsinne.
Ich komme an eine Gabelung; ein Weg führt in den schattigen Teil des Parks, der andere an sonnenbeschienenen Rasenflächen entlang. Ich entscheide mich für die Sonne, halte das Gesicht in die wärmenden Strahlen und setze mich auf eine Bank.
Am Teich sehe ich einen Mann mit seinem Hund. Sie spielen miteinander: Das Herrchen wirft Stöckchen, und der Hund rennt lebhaft bellend hinterher. Als ein Stock im Wasser landet, zögert der Hund keinen Moment und springt mit einem Riesensatz zwischen die Seerosen. Das Lachen des Besitzers schallt über die Wiese – ein Lachen, das mir bekannt vorkommt.
Neugierig schaue ich zu ihm hinüber. Er ist ungefähr in meinem Alter, aber zu weit entfernt, als dass ich Einzelheiten erkennen könnte. Als er weitergeht, stehe ich spontan auf und folge ihm unauffällig. Er trägt eine Jeansjacke, hat breite Schultern, ist nicht allzu groß und hat schwarzes Haar. Die Art, wie er dasteht, die Hände in den Hosentaschen, kommt mir sehr bekannt vor, aber ich erkenne ihn erst, als er sich zu seinem Hund umdreht, der im Gebüsch herumschnüffelt.
Mein Herz setzt ein paar Schläge aus. Er ist um Jahre älter, und das schwarze Haar, das ihm früher in die Augen fiel, ist heute kurz geschnitten. Trotzdem brauche ich kein zweites Mal hinzusehen, um zu wissen, wer er ist. Ich habe in letzter Zeit oft an ihn gedacht, und jetzt steht er auf einmal vor mir: Bart.
KAPITEL 33
Alles im sommerlichen Park scheint den Atem anzuhalten, als wir einander gegenüberstehen. In den Baumkronen rauscht es sacht und beruhigend, leise zwitschern ein paar Vögel, und das Sonnenlicht fällt gefiltert durch das grüne Laub.
Bart. Er ist es wirklich. Ich nehme jedes Detail seines Gesichts in mich auf, seine blauen Augen, das volle dunkle Haar. Er ist kleiner, als ich ihn in Erinnerung habe, kaum einen Kopf größer als ich, und auf einmal sehe ich wieder, wie ich vor einer Verabredung meine flachen Schuhe heraussuche, damit ich ihn nicht überrage.
Erkennt er mich ebenfalls? Er sieht mich lange an, zu lange für eine beliebige Passantin. Ich könnte ihn ansprechen, aber ich habe Angst, dass mir die Stimme versagt, Angst, dass alles nur ein Traum ist und dass Bart sich in Luft auflöst, sobald ich die Hand nach ihm ausstrecke.
Bart macht eine Bewegung, aber nicht in meine Richtung. Er meint seinen Hund. Er klopft sich auf den Schenkel, zum Zeichen, dass er zu ihm kommen soll. Dann will er weitergehen, aber ich trete ihm in den Weg und lächle ihn ein wenig schief an.
»Hi«, bekomme ich gerade eben noch raus.
Das ist das Zauberwort, die magische Begrüßung, mit der ich sein Gedächtnis erreiche. Vielleicht erkennt er mich auch an der Stimme. Er bleibt jedenfalls stehen, und ein Lächeln überzieht sein Gesicht.
»Sabine«, sagt er.
»Hi«, sage ich noch mal. »Hast du mich nicht gleich erkannt?«
»Ich war mir nicht sicher«, sagt Bart. »Bis du mich angelacht hast.«
Der Hund neben ihm schaut mich an und trottet dann ins Gebüsch, als hätte er kapiert, dass es eine Weile dauern kann, bis ihm sein Herrchen wieder Aufmerksamkeit schenkt. Statt uns in die Arme zu fallen, wie ich es mir in meinen romantischen Fantasien ausgemalt habe, stehen Bart und ich uns erst mal ein wenig linkisch gegenüber und lächeln. Je länger dieser Moment dauert, desto mehr alte Gefühle kommen wieder hoch. Ehrlich gesagt, ich verliebe mich auf der Stelle erneut in ihn.
»So ein Zufall, dass ich dich hier treffe«, sagt Bart schließlich. »Ich bin jeden Tag mit Rover im Park, aber dich hab ich hier noch nie gesehen.«
»Ich wohne auch nicht mehr hier«, sage ich. »Ich bin nach Amsterdam gezogen.«
»Aha, die aufregende Großstadt! Und, was machst du dort?«, fragt Bart interessiert.
»Ich bin Sekretärin«, sage ich, was leider alles andere als aufregend klingt.
»Aha«, sagt er wieder.
Der Hund kommt zurück. Er hat einen Stock im Maul und lässt ihn Bart vor die Füße fallen, schnüffelt an meiner Hand und drückt mir dann seine Schnauze in den Schritt.
»Rover, lass das! Wo sind deine Manieren!?« Bart packt ihn am Halsband, zieht ihn von mir weg und grinst leicht verlegen. »Hast du Lust, ein Stück mit mir zu gehen?«, fragt er. »Der Hund braucht Bewegung, sonst … Na ja, du siehst ja.«
Ich nicke, und wir gehen zusammen den Weg entlang, der in den schattigeren Teil des Parks führt. Zwischen uns
stellt sich sofort die alte
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