Klassentreffen
seltsamerweise alles noch. Es hat mit Isabel und ihrem Verschwinden zu tun«, sage ich.
»Ach ja?« Bart beugt sich interessiert vor.
»Eigentlich ist es nichts Besonderes«, sage ich ausweichend. »Und irgendwie schwer zu erklären, weil da keine konkreten Bilder sind. Es ist eher … ein Gefühl.«
Bart legt sich rücklings in den Sand und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. »Weißt du, ich glaube durchaus, dass das Gedächtnis zu so etwas imstande ist. Ich hab da mal was im Fernsehen gesehen, im Discovery Channel.« Er sieht mich von der Seite an, sein Blick ist ernst. »Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich für verrückt halte, wirklich nicht.«
»Okay.« Jetzt zögere ich nicht mehr. Es tut gut, mal mit jemandem über alles reden zu können, mit jemandem, der mich ernst nimmt und die betroffenen Personen kennt. »Ich bin bei den Dunklen Dünen und sehe jemanden. Auf einmal ist die Person weg, verschwunden. Erst fahre ich weiter, aber
dann kehre ich um. Wahrscheinlich ist mir etwas aufgefallen, ich weiß nur nicht, was. Ich steige vom Rad und gehe, abseits vom Weg, in das Waldstück hinein. Ganz vorsichtig, als würde ich spüren, dass da etwas passiert, was ich nicht sehen soll. Bald wird der Waldboden sandig. Am Rand einer Lichtung kurz vor den Dünen bleibe ich stehen und verstecke mich zwischen den Bäumen …«
Ich breche ab und wische abermals Sand von meinem Bein.
»Und dann? Was siehst du?«, drängt Bart und legt mir die Hand auf den Arm.
»Nichts. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und blendet mich. Ich blinzle, aber die Flecken vor den Augen gehen nicht weg. Da hört die Erinnerung auf.« Ich starre auf die Wellen, die unablässig auf den Strand rollen. »Offen gestanden bin ich mir nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine Erinnerung ist. Vielleicht spielt mir meine Fantasie einen Streich, und ich bilde mir nur ein, dass ich mich daran erinnere.«
Bart legt sich auf die Seite, stützt den Kopf auf, macht die Augen ganz schmal und fixiert mich. »Aber tief im Innern glaubst du, dass du etwas Schreckliches mit angesehen hast. Etwas, was Isabel im Wald zugestoßen ist. Gewissheit kannst du eigentlich nur bekommen, wenn du es der Polizei meldest und sie dort suchen. Weißt du denn noch, wo genau du in den Wald gegangen bist?«
Ich sehe mich dem Kripomann Hartog gegenübersitzen. »›Mir ist wieder eingefallen, dass ich in den Wald ging und eine Lichtung sah.‹
›Und was haben Sie auf der Lichtung gesehen?‹
›Nun, eigentlich nichts. Ich weiß nicht mal genau, ob es eine Erinnerung oder ein Traum ist. Aber warum graben Sie da nicht einfach mal mit allen Ihren Leuten?‹«
Resigniert schüttle ich den Kopf und bohre die Zehen in den Sand. »Die glauben mir doch nie. Ich müsste mehr vorweisen können, irgendwas Konkretes, und ich müsste die Stelle genau bezeichnen können.«
»Kannst du das? Weißt du noch, wo es war?« Bart sieht mich forschend an.
»Nein, das hab ich doch vorhin schon gesagt. Nicht genau.«
Das stimmt nicht. Ich könnte jetzt gleich hingehen und würde die Stelle auf Anhieb finden, wenn ich wollte. Aber irgendetwas hält mich davon ab, das preiszugeben. Womöglich würde Bart dann sofort mit mir zu den Dunklen Dünen gehen wollen, und das ist nun wirklich das Letzte, was ich will.
»Ich war neulich bei Herrn Groesbeek«, sage ich, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben.
»Bei Groesbeek? Was wolltest du denn von dem?«
»Mir war was eingefallen; komisch, dass das so plötzlich wieder da ist. Ich wusste noch genau, dass ich am Tag, an dem Isabel verschwand, hinter ihr herfuhr und sie an der Kreuzung Jan Verfailleweg/Seringenlaan stehen sah. Was ich aber lange Zeit vergessen hatte, war der Wagen, hinter dem ich damals stand. Ein grünlicher, ziemlich verdreckter Transporter, genau so einer, wie Groesbeek ihn hatte. Und der fuhr in die gleiche Richtung wie Isabel.«
»Hat der Fahrer sie verfolgt?«
»Nein, er hat sie überholt, aber das hat nichts zu sagen. Er kann sie ja ein Stück weiter abgepasst haben.«
Bart setzt sich auf; er wirkt jetzt irgendwie besorgt. »Hast du das alles zu Groesbeek gesagt?«, fragt er.
»Nein, kein Wort hab ich davon gesagt. Im Grunde genommen weiß ich nicht, warum ich überhaupt zu ihm gegangen bin, was ich mir davon erhofft hatte. Er erkannte mich nicht, und der Name Isabel hat auch keine erkennbare
Reaktion bei ihm hervorgerufen. Aber ich hab was anderes entdeckt, was recht Merkwürdiges.«
Bart sieht
Weitere Kostenlose Bücher