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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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gewesen.
    Irgendwann war ich am frühen Abend allein zu Hause, und ich ging ans Telefon, weil ich einen Anruf von Ramon erwartete. Ich wurde ganz starr, als ich die Stimme meines Vaters hörte. Sie zitterte ein bisschen. «Jamie! Ich bin echt froh, dich mal an die Strippe zu kriegen! Du fehlst mir.»
    Was soll man auf so eine Offenbarung antworten? Wie abgebrüht hätte ich sein müssen, um jetzt einfach den Hörer aufzulegen oder so was zu erwidern wie «Du mir überhaupt nicht, also verpiss dich»?
    Trotzdem konnte ich natürlich nicht einfach nett sein. «Aha», sagte ich nur. «Ich dachte, du wärst total beschäftigt.»
    «Na ja, ich hab ganz gut zu tun, ja. Ich hab den Auftrag für eine Ladenkette bekommen, sechs Filialen in Berlin. Aber irgendwie ist das komisch, so allein im Haus zu sein. Ich würd dich gern mal wieder auf der Gitarre rumklimpern hören.»
    «Ich kann dir ja ’ne CD brennen», antwortete ich.
    Gleichzeitig grübelte ich über seine Formulierung nach. Wieso allein im Haus? Wohnte seine Freundin denn nicht bei ihm? Warum waren sie dann nach Berlin gezogen?
    «Das wäre wohl nicht ganz dasselbe», sagte mein Vater. Ich kriegte ein schlechtes Gewissen. Meine Bemerkung war wirklich bescheuert gewesen. Und mir fiel auf die Schnelle nichts ein, um sie abzuschwächen.
    «Ich würde mich freuen, wenn ihr mal ein Wochenende zu mir kommt», fuhr mein Vater fort. «Nick und du. Vielleicht am Zwanzigsten? In zwei Wochen?»
    Ich konnte nicht sofort antworten. Mir gingen total widersprüchliche Gedanken durch den Kopf. Ich vermiss dich, Papa. – Das könnte dir so passen. – Berlin ist bestimmt geil. – Sollen wir dann etwa mit deiner Neuen gemeinsam einen auf Familie machen? – Du hättest die Chance, was wiedergutzumachen. – Glaubst du im Ernst, dass Dominik da mitmacht? – Ich wünschte, du würdest einfach zurückkommen.
    «Ihr könntet ja freitags nach der Schule in den Zug steigen, und ich hol euch dann am Bahnhof ab», sagte mein Vater. Er hörte sich ganz hoffnungsvoll an. «Und am Sonntagabend fährt ein Zug um kurz vor sechs zurück, dann seid ihr immerhin vor Mitternacht zu Hause.»
    «Du hast dir schon die Fahrpläne angesehen?»
    «Ja, klar.»
    «Ich frag mal Nick. Ich würd schon ganz gern kommen.» Dass mein Vater sich über meine letzte Bemerkung so offensichtlich freute, deprimierte mich fürchterlich. Ich verkroch mich in meinem Zimmer und kam den ganzen Abend nicht mehr raus.

[zur Inhaltsübersicht]
    35
    W ährend ich mit Maxi in der Mensa sitze, sende ich fast schon verzweifelte Blicke in alle Richtungen. Gibt es denn hier keinen, der sich irgendwie für mich interessiert?
    Maxi hält mir einen Vortrag darüber, dass man Hackfleisch besonders stark würzen muss, weil es sonst nach nichts schmeckt, und dass denen hier in der Mensa nichts anderes einfällt, als eine Extraportion Salz reinzukippen. Er schildert mir ausführlich, wie seine Mutter Hackfleisch zubereitet und dass sie die besten Buletten von Berlin brät. Dann fragt er mich, ob ich DSDS gesehen habe, und als ich verneine, liefert er mir einen umfassenden und detailgetreuen Bericht der letzten Sendung. Ich weiß nicht, wie ich ihm sagen soll, dass mich das unvorstellbar langweilt. Also höre ich einfach schweigend zu.

    A m nächsten Morgen ging Dominik nicht joggen. Er stand kurz vor mir auf, und ich sah, dass er humpelte. «Was hast’n da gemacht?», fragte ich und wies auf sein Bein, als er sich merkwürdig steif an den Frühstückstisch setzte.
    «Nur ein Kratzer», erwiderte Nick. Wir grinsten beide. Das war einer von diesen Klischeesprüchen aus Western- und Agentenfilmen, über die wir uns als Kinder gerne lustig gemacht hatten, genauso bescheuert wie «Hören Sie, Mister» oder «Ich blas dir das Gehirn weg».
    Obwohl diese kleine Anspielung auf unsere vertrautere Vergangenheit mir ein gutes Gefühl gab, war ich nicht ganz zufrieden mit Nicks Auskunft. «Beim Joggen umgeknickt?», bohrte ich nach.
    «Nee», sagte er, «ein Streifschuss.»
    Das konnte natürlich die Fortsetzung des kleinen Scherzes von vorhin sein. Aber irgendwas sagte mir, dass die Antwort ernst gemeint war – vielleicht dieser selbstzufriedene Ausdruck auf Nicks Gesicht. Ich entschied mich trotzdem dafür, auf der Humorschiene weiterzufahren und mir meinen Schock nicht anmerken zu lassen. «Bankraub?», fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf und schloss dabei kurz die Augen. «Trainingsunfall.»
    Natürlich wusste ich, dass Nick nicht so cool

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