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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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entschuldigt, man ist einfach immer der Gearschte. Wieso muss er jetzt darauf rumreiten und mich damit in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit rücken? Der soll mich einfach in Ruhe lassen! «Nee, natürlich nicht», sage ich. «Es ist mir einfach gerade erst wieder eingefallen!» Meine Antwort ruft in der Klasse gedämpfte Heiterkeit hervor.
    «Aha. Du bist hier reingekommen – zu spät, wohlgemerkt –, hast dich auf deinen Platz gesetzt und gewartet, bis die Show anfängt. Und plötzlich fällt dir ein: Ups, das ist ja Deutschunterricht , da hätte ich ja was lesen müssen!»
    Ich schweige.
    Es dauert eine ganze Zeit, bis die anderen zu lachen aufhören. Kenji dreht sich grinsend zu mir um und hebt verstohlen den Daumen. Der Wiesner sagt nichts mehr, aber er ist ohne Zweifel stinkwütend. Er ruft Jacqueline auf, und während sie eine etwas unbeholfene Zusammenfassung des sechsten Kapitels abliefert, macht er sich eine Notiz in seinen roten Lehrerkalender. Wahrscheinlich eine Sechs für mündliche Mitarbeit neben meinem Namen.

    A m Donnerstagabend kamen wir praktisch gleichzeitig nach Hause, Nick und ich. Das Erste, was mir auffiel, war die dunkelblaue Sporttasche in seiner Hand. Die hatte ich noch nie gesehen, aber neu war sie auch nicht. «Was hast du denn dadrin?», fragte ich, während ich die Haustür aufschloss.
    «Als wenn dich das irgendwas angehen würde!» Dominik ging vor mir die Treppe hoch in unser Zimmer und stellte die Tasche auf seinem Bett ab. Ich wusch mir im Bad die Hände, und als ich wiederkam, war sie weg. Das überraschte mich nicht besonders.
    Ein bisschen neugierig war ich schon, aber so sehr dann auch wieder nicht. Wenn er es mir nicht sagen wollte, dann eben nicht. Außerdem respektierte ich seine Privatsphäre. Ich konnte ja nicht ahnen, wie viel besser es gewesen wäre, mich einzumischen und ihm auf den Zeiger zu gehen.
    In den nächsten Wochen war ich schon ab und zu mal in Versuchung, nach der Tasche zu suchen und reinzugucken, wenn er nicht da war. Also, genau genommen habe ich auch danach gesucht, zwei- oder dreimal. Aber ich hab sie nicht gefunden.

[zur Inhaltsübersicht]
    56
    D ie erste Hälfte der Deutschstunde ärgere ich mich über mich selbst. Es war ja schließlich reine Verpeiltheit, dass ich das Buch nicht gekauft habe. Ich hätte es sonst wahrscheinlich schon komplett durchgelesen und im Unterricht so richtig geglänzt. Der Wiesner hätte einen total guten Eindruck von mir bekommen und mich zu seinem neuen Lieblingsschüler erklärt.
    Stattdessen hab ich jetzt so viele Minuspunkte angehäuft, dass ich mindestens bis zu den Weihnachtsferien schleimen muss wie eine Weinbergschnecke. Wozu ich gar keine große Lust habe, weil ich diesen Wiesner mittlerweile für ein Arschloch halte. Aber den Luxus einer eigenen Meinung kann ich mir jetzt nicht mehr erlauben.
    Das Komische ist, dass dieser ganze Ärger nur an der Oberfläche bleibt. Er schafft es nicht, mich vollständig runterzuziehen. Nach und nach tritt er immer weiter in den Hintergrund, und stattdessen denke ich wieder über Kenji und die Cosmic Shocks nach. Ich hab die Band noch nie gesehen und noch nie spielen hören, ich weiß noch nicht mal genau, was für eine Art Musik die machen – Kenji hat gesagt, so eine Mischung aus Orgy, Dope Stars Inc. und Chemical Brothers –, aber ich mache schon Riesenpläne, und die erste Idee zu einem Songtext hat sich in meinem Hirn festgesetzt. Am liebsten würde ich mir die Fernbedienung schnappen und mein Leben bis zu dem Punkt vorspulen, wo ich das erste Mal mit den Cosmic Shocks auf einer Bühne stehe.

    I ch dachte, Nick und Marek hätten Stress miteinander, weil Nick plötzlich nicht mehr so viel weg war. Woanders übernachten tat er gar nicht mehr, und meistens war er nachmittags schon zu Hause. Das ging die ganze Woche so. Ich konnte mich aber nicht dazu durchringen, ihn zu fragen. Wir hatten ja immer noch so eine Art kalten Krieg, wenn auch nicht mehr ganz so kalt wie direkt nach der Hähnchenkeulenaktion.
    Dominik kam mir in dieser Zeit ziemlich depri vor. Man konnte sehen, dass ihn alles ankotzte. Seinen Schulrucksack machte er nicht mal mehr auf – er schmiss ihn beim Nachhausekommen irgendwohin und packte ihn sich am nächsten Tag wieder auf den Rücken, ohne auch nur die Bücher auszutauschen. Von Hausaufgaben ganz zu schweigen. Allerdings hatten wir so kurz vor den Sommerferien sowieso nicht mehr viel auf.
    Er spielte zwar immer noch ziemlich oft am PC

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