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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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Beispiel nichts von der Waffe gewusst hatte, obwohl ich natürlich längst geschnallt hatte, dass die in der blauen Sporttasche gewesen war und dass er sie mit nach Hause genommen hatte, weil Marek weggezogen war. Aber jetzt war es ja viel zu spät für solche Erkenntnisse.
    Die meiste Zeit saßen meine Eltern und ich in einem der beiden Zimmer zusammen und redeten. Wir suchten nach Erklärungen, nach Hinweisen, die wir übersehen hatten, auch nach Schuldigen. Ich musste ihnen immer wieder erzählen, was Dominik zu mir gesagt hatte, ehe er mich in dem Dixiklo einschloss, und wir zerpflückten jedes seiner Worte. «Spuren hinterlassen?», sagte meine Mutter. «Was kann er damit denn gemeint haben?»
    «Na, das ist doch jetzt wohl klar», erwiderte mein Vater bedrückt. «Hat er dir gegenüber so was nie gesagt?»
    «Nein. Nie. Er hat doch sowieso kaum mit mir geredet!»
    «Tja», sagte mein Vater, und darin schwang eine versteckte Anklage mit, aber er führte das nicht weiter aus. Meine Mutter hatte die Botschaft trotzdem genau verstanden. «Tja!», wiederholte sie. «Du warst ja auch nicht verfügbar! Du warst in Berlin!»
    «Ja, genau, und warum denn wohl?»
    Ich sprang auf und schrie: «Hört auf jetzt! Verdammt!»
    Sie schwiegen und saßen mit gesenkten Köpfen da, und wir schämten uns alle drei.
    Es gab aber auch Stunden, in denen wir vergaßen, dass wir schon vor Nicks Tod keine heile Familie mehr gewesen waren, und in denen wir uns gegenseitig trösteten, wie das Menschen eben tun, die einander lieben. Manchmal umarmten meine Eltern sich. Dann dachte ich immer: Wer weiß, vielleicht bringt diese ganze Scheiße sie wieder zusammen, und ich schöpfte ein bisschen Hoffnung.

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    D ie eigentliche musikalische Richtung der Cosmic Shocks ist weit von AC/DC oder Nirvana entfernt. Sie spielen mir zwei, drei Songs vor, die sie selbst geschrieben haben, während ich als andächtiger Fan auf der alten Couch sitze. Das Ganze ist ziemlich spacig, rein instrumental, mit viel Betonung auf der Elektronik und ein paar völlig überraschenden Wendungen.
    Ich vergesse meine Minderwertigkeitsgefühle und schlage ein paar kleine Veränderungen vor. Ich lasse Kenji den Basslauf eine Oktave tiefer spielen und bitte Moritz, beim Intro allmählich das Tempo zu steigern. Toshis Synthiesolo hätte ich gern mindestens doppelt so lang, dafür begleite ich es ab der Hälfte mit einem gegenläufigen Riff, und statt des abrupten Endes fände ich ein Fade-out passender.
    Ich freue mich, dass die anderen meine Vorschläge ernst nehmen: Sie denken darüber nach, sprechen sie durch, probieren sie aus, diskutieren sich die Köpfe heiß, versuchen sich gegenseitig zu überzeugen, probieren sie noch mal in abgewandelter Form und kommen am Ende zu einer Einigung. Ich komme mir vor wie ein Profi, der mit anderen Profis zusammenarbeitet. So als würden wir in den Studios von Universal unser viertes Album aufnehmen. Vielleicht ist es ja auch nur ein Traum, und gleich springt der Radiowecker an. Aber bis dahin will ich jeden Augenblick genießen.

    Z wei Tage vor der Beerdigung konnten wir wieder nach Hause. Da lungerten inzwischen nur noch Reporter rum, aber wenigstens kein mordgieriger Mob mehr. Die standen jetzt wahrscheinlich alle vor dem Haus von dem Pädophilen, der vor ein paar Tagen aus dem Knast entlassen worden war. Mit den Presseheinis musste man knallhart sein, hatte Görlitz uns gesagt. Da durfte man auch ruhig unhöflich werden. Einfach stehenlassen und sich in kein noch so kleines Gespräch verwickeln lassen. Nicht mal auf die Frage nach der Uhrzeit antworten.
    Aber die waren natürlich genauso hart drauf. Jedes Mal, wenn ich aus dem Haus kam oder wieder reinwollte, stürzten sich mindestens zwei auf mich. Einer hat mich sogar mal am Ärmel festgehalten, da bin ich echt ausgetickt. Ich hab ihm gegen die Kniescheibe getreten. Wenn auch nicht allzu fest. Er führte sich allerdings auf, als hätte ich ihn zum Krüppel gemacht; er jaulte und brach auf dem Gehweg zusammen wie ein gefoulter Fußballer. Einen Sekundenbruchteil zögerte ich und wollte ihm wieder hochhelfen, aber zum Glück war mein Vater bei mir und zerrte mich weiter, rein ins Haus. Ein paar Minuten später konnte ich durch die Gardine beobachten, dass der Typ nicht mal mehr humpelte.

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    W ir haben uns an diesem einen Song regelrecht festgebissen, Way up heißt er. Toshi hat mir den Gitarrenpart auf dem Keyboard vorgespielt,

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