Klatschmohn
versöhnlich zu stimmen.
Ich versicherte ihr, überhaupt nicht böse zu sein, zumal ich sie ja auch gleich hätte aufklären können.
Erleichtert wie sie war, fügte sie hinzu: »Und wenn ich Ihnen noch einen Rat mit auf den Weg geben darf… Meine Mutter sagte immer, je länger die Leine, desto treuer der Hund.«
Sie hatte Recht und jeder kann jeden zu jeder Zeit betrügen, egal ob populär oder nicht, denn wo ein Wille, da ein Weg. Also ging ich einfach davon aus, dass Fremdgehen mit einer Charakterschwäche zusammenhing, die Leander nicht hatte!
Davon war ich erst recht überzeugt, als ich durchgewalkt auf den Flur trat, wo er schon ungeduldig auf mich wartete und mich strahlend empfing.
»Da bist du ja! Hast du Lust raus zu gehen?«
Und ob ich das hatte. Zwar lebte ich schon lange glücklich in der Stadt, aber im Grunde meines Herzens war ich immer Landkind geblieben.
Es tat gut, endlich wieder durch einen Wald zu spazieren, den weichen, federnden Boden zu spüren, die feuchte Luft, irgendwo das Hämmern eines Spechtes. Und neben mir der Mann meines Herzens.
Wir tollten ausgelassen herum und lachten um die Wette. Ich erzählte ihm von meinem Massageerlebnis, und Leander konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen und dumme Sprüche zu reißen.
»Da werde ich mich doch gleich mal zur Ganzkörpermassage anmelden, und wenn die besagte Dame meine Beine knetet, sage ich: >Sie machen das so gut, da würde ich doch glatt meine Freundin für verlassen. Sind Sie noch zu haben?<«
Sehr witzig, aber es war schön zu erleben, dass Leander eine verspielte Seite hatte, denn im Alltag, wer konnte es ihm verdenken, war er oft angespannt und bedacht, sich unter Kontrolle zu haben.
Nach dem Spaziergang, einem leckeren Menü und viel Wein gingen wir auf unser Zimmer. Ich war nervös, denn Leander und ich waren uns zwar schon näher gekommen, aber eben noch nicht ganz. Und alles deutete darauf hin, dass heute die Stunde der Wahrheit schlagen würde.
Wir schlossen die Zimmertür hinter uns. Alles war still, keine Geräusche, nur sein Atem. Er schaute mich an, zog sein Shirt über den Kopf, ich zog gleich, er kam näher, begann mich zu küssen, wir atmeten schneller und es dauerte nicht lange, da gab es nur noch seinen warmen Körper und seine Hände, die genau wussten, was zu tun war.
Zurück in der Stadt, gab es nur noch ein Thema, wie könnte es auch anders sein: Wittas Party.
Durch das Wochenende mit Leander waren meine letzten Unsicherheiten verschwunden, und was mich anging, konnte kommen, was und wer wollte. Ich war gewappnet.
Katharina und Max verstanden sich prächtig und hatten sich sogar schon Kosenamen ausgedacht, mit denen sie sich auf der Party foppen wollten.
Max hatte Katharina seine Fotos gezeigt. Sie war hellauf begeistert und wurde nicht müde mir zu sagen, wie begabt Max sei.
Die beiden verbrachten auffallend viel Zeit gemeinsam, was Katharina sichtlich wohl tat. Sie sah blühender aus denn je, machte zwar keine Anstalten, sich um ihre Russlandexpedition zu kümmern - was uns recht war -, verschlang aber alles, was sie an Schwangerschafts-und Erziehungsliteratur bekommen konnte. Lilli meinte sogar bemerkt zu haben, dass Katharina neuerdings feuchte Augen bei Babys in Kinderwagen bekam.
Lilli war nach wie vor überglücklich mit ihrem Kinderarzt, Herbert im Übrigen auch.
Es freute mich von ganzem Herzen, Lilli glücklich zu sehen, nach so vielen Schwachmaten, die sie ausgenutzt und betrogen hatten; endlich ein Kerl, der ihr mit Respekt begegnete.
Und was mich und Leander anging - es hätte nicht besser laufen können.
Anfangs hatte ich die Befürchtung gehegt, Leander könnte mich aus seinem vollen Leben heraushalten und nie Zeit für mich haben. Das Gegenteil trat ein. Er wollte mich so oft wie möglich sehen und bestand darauf, mich auf jede Einladung mitzunehmen. Wenn ich auch anfangs eingeschüchtert war ob der »wichtigen«
Menschen mit ihren Formen und Ritualen, so gewöhnte ich mich doch schnell daran und war froh, die Gelegenheit zu haben, Zeit mit Leander zu verbringen, der mich mit einem Augenzwinkern in die Knie zwingen konnte.
Meine Mutter hatte mir wieder eine ihrer Lebensweisheiten mit auf den Weg gegeben: »Kind, nicht einschüchtern lassen. Die kochen alle nur mit Wasser.«
Natürlich waren mir diese Einladungen durch meine Kolumnearbeit nicht mehr ganz fremd, aber es war ein großer Unterschied, ob man über diese Art Menschen berichtete oder ob man ihnen
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