Klatschmohn
mindestens sieben Mal schwören, dass er nie und zu keiner Zeit jemandem davon erzählen würde.
Kopfschüttelnd versprach er es. »Also, ich muss schon sagen, an Fantasie mangelt es dir nicht«, bemerkte er dann. »Wie kommt man auf die Idee, aus Russland das eigene Kind mitzubringen? Das ist so absurd.« Er musste lachen und Katharina war erleichtert. Jetzt musste sie wenigstens ihrer Begleitung nichts Vorspielen. Der Abend endete damit, dass wir alle Brüderschaft tranken.
Leander hatte sich das Wochenende freigeschaufelt und mich aufs Land eingeladen. Wir fuhren in ein altes, zu einem Wellnesscenter umfunktioniertes Jagdschloss. Natürlich sehr exklusiv und wahrscheinlich kostete ein Wochenende dort so viel wie mein gesamtes Studium, aber Leander ließ sich davon nicht abbringen und versicherte mir, dass er einen Sonderpreis bekäme.
Die Welt war ungerecht. Seit ich mit Leander zusammen war, musste ich feststellen, dass Prominenten rund um die Uhr der Hintern gepudert wird. Die bekamen alle einen Sonderpreis oder Geschenke oder mussten gar nichts zahlen.
Selbst Leanders Zahnarztbesuche waren kostenlos, denn ein jeder war geehrt, Leander als seinen Patienten, Kunden oder was auch immer bezeichnen zu dürfen, und so kam es, dass Menschen, die alles hatten, auch noch mehr dazu bekamen. Pervers! Statt dass die mal meiner Mama und Tante Eda ein Sonderangebot machten! Die beiden träumten schon lange von einem Verwöhnwochenende im Spa.
Trotz allem freute ich mich auf die gemeinsame Zeit, die wir endlich allein verbringen würden, um uns näher kennen zu lernen. Zwar kannte ich seine Biografie inzwischen auswendig, aber den Menschen dahinter nur flüchtig.
Die Reise aufs Land dauerte eine gute Stunde. Wir hörten >Air<, unterhielten uns angenehm und mit jedem Kilometer Grün ließen wir die laute Stadt samt Verpflichtungen hinter uns.
Das Wellnesscenter war unbeschreiblich luxuriös, aber nicht protzig ausgestattet. Ayurveda, Massagen, Farbbestrahlungen, Packungen, Bäder — alles, was das ausgelaugte Herz begehrte. Frische Luft und kleine Laubwälder!
Der Ausblick von unserem Zimmer … ach! Was sag ich da! Es war eine Suite oder noch besser ein Königreich, einfach atemberaubend. Und die gedämpfte Stille, diese angenehmen Düfte und freundlichen Menschen! Kein Wunder, dass die Gattinnen diverser Industrieller so gepflegt und entspannt aussahen.
Ich entschied mich für eine Aromatheraphiemassage, Leander für eine Runde Schlaf, und so schwebte ich im weißen Bademantel über die marmorierten Gänge zu meiner Kosmetikerin. Nur hießen die hier natürlich nicht Kosmetikerin, sondern Hauttherapeuten oder Pflegeberaterin.
Mir war noch nie klar, was diese Pseudobezeichnungen bezwecken sollten.
Lothar Matthäus ist und war Fliesenleger und nicht neudeutsch Raumausstatter.
Gut, dass sich Metzger oder Schlachter nicht besonders schmeichelnd anhört, das kann man ja noch nachvollziehen, aber dass eine Putzfrau sich in ihrer Ehre so gekränkt fühlt, dass sie nur noch Gebäudepflegerin genannt werden will, war mir schleierhaft. Im Gegenteil, all diese neuen Berufsbezeichnungen erweckten doch den Eindruck, als wären die Jobs nicht gut genug und müssten deswegen mit einem klangvollen Namen ein besseres Image bekommen.
Das sollte mir heute egal sein. Von mir aus konnten sie sich nennen, wie sie wollten, Hauptsache war, sie würden mich verwöhnen und richtig durchkneten.
Endlich war ich bei meiner Kabine angelangt. Sylvie wartete schon mit einem professionellen Lächeln auf mich und sah so was von gepflegt aus, dass man sich getrost in ihre Hände begeben konnte.
»Sind Sie Frau Mohnhaupt?« Sylvie schaute in ihren Pal. Die hatten hier tatsächlich Pals und nicht alte abgegriffene Terminkalender mit ausradierten Seiten. Ja, hat alles seinen Preis. Diese Nägel, perfekt manikürt - französisch natürlich.
Ich nickte.
»Wollen Sie sich schon mal freimachen und es sich auf der
Behandlungsliege bequem machen, Frau Mohnhaupt? Ich bin gleich bei Ihnen.«
Na, dann nichts wie runter mit den Klamotten und rauf auf die Liege. Allein diese Liege war zum Einschlafen bequem, im Hintergrund Zen-Klänge mit Wellenrauschen und es roch angenehm nach Zimt. Stimmungsaufhellend, wie mir die bezaubernde Sylvie erklärte.
Die Augen geschlossen auf dem Weg in die Welt der Entspannung, hörte ich eine gedämpfte Unterhaltung zwischen zwei Frauen. Sie schienen sehr aufgeregt zu sein.
»Bist du dir ganz
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