Klatschmohn
Figur gemacht hatte, war heute ihr Abend.
Sie trug kein peinliches Hawaiihemd oder gar Strandtuch, und auch wenn Witta mit Absicht vergessen hatte, uns auf ihren lächerlichen Themenabend hinzuweisen, hatte sie sich damit keinen Gefallen getan, denn der Rest der Gesellschaft wirkte wie ein schlechter Springparty-Verschnitt eines wild gewordenen amerikanischen Colleges. Man war jeden Moment darauf gefasst, Trinkspiele oder eine Polonaise zu sehen.
Wir hingegen hatten nicht nur Stil und Klasse, sondern auch gut aussehende und prominente Begleitung, nach der sich alle umdrehten.
Max zeigte auf ein vergrößertes Hochzeitsfoto im silbernen Rahmen mit Trauerflor, das Witta mit ihrem Verstorbenen zeigte. Vor dem Bild brannte eine Kerze. Einen krasseren Gegensatz zwischen Wittas geschmacklosem Auftritt und ihrem Schrein gab es wohl nicht. Nicht, dass man einer Witwe absprach, Spaß zu haben, oder gar moralisch entrüstet war. Es war Wittas Bigotterie, die aufstieß, denn sonst war sie die fromme Helene und empört über den Lebenswandel anderer Singlefrauen.
»Ihr Verstorbener kommt mir bekannt vor, woher kenne ich den nur?«, überlegte Max.
»Ich meine, er war Anwalt«, versuchte ich ihm auf die Sprünge zu helfen.
»Nee, das ist es nicht, ich weiß nicht, wo ich ihn hinstecken soll, aber ich glaube, den kenne ich. Wann ist er denn gestorben? Mir fällt sicher wieder ein, wo ich ihn gesehen habe.«
Katharina trat hinzu und zerrte uns Richtung Salon, wo sich angeblich unglaubliche Szenen abspielten. Ihre Augen funkelten, und als sie uns mit einem »et voilá« zur Tür rein schob, bot sich uns ein Anblick, der locker eine Glücksradshow an Absurdität überbot.
Witta und ihre lustigen Partygäste tanzten Limbo. Dazu hatte sie sich eine jamaikanische Combo geleast. Die sichtlich angetrunkenen Gäste schoben sich unter anzüglichen Bewegungen unter diese Stange durch, einige »Damen« hatten es Witta gleichgetan und sich entblößt. Leider konnten sich das rein optisch nicht alle leisten, und man war versucht ihnen zuzurufen: »Kind, zieh dir besser was drüber, du erkältest dich sonst!«
Witta konnte sich definitiv oben ohne zeigen, und das wusste sie auch, die witzige Witwe. Kaum hatte sie uns erblickt, versuchte sie mich zur Unheilstange zu ziehen, doch ich wehrte erfolgreich ab.
Leander hatte nicht so viel Glück, und wahrscheinlich war es auch sein Promistatus, der ihm auferlegte, sich volksnah zu zeigen. Schließlich hatten sich schon einige Strandbesucher als Fans zu erkennen gegeben, und da mochte man ja kein Spielverderber sein. Also quälte er sich unter den Rhythmen des jamaikanischen Milli-Vanilli-Verschnitts hüftenschwingend unter der Stange durch, und ich muss leider zugeben, dass das entgegen aller Erwartungen verdammt sexy aussah.
Die Menge kreischte.
Leander kam grinsend zurück und meinte: »Das ist der Rhythmus, wo ich mit muss.«
Er zog mich an sich und wir küssten uns in Wittas umgebautem Tropenparadies.
Knutschen macht durstig, und so machte ich mich zur Bar auf, um Nachschub zu besorgen. Ich kam an der offenen Terrasse vorbei, sah Max abseits sitzen und gesellte mich dazu. Er sah mich überrascht an.
»Was machst du denn hier draußen? Ich dachte, du amüsierst dich prächtig?«
»Ja, ich wollte nur zur Bar. Und was machst du hier?«
»Frische Luft holen. Limbotanzen ist nicht mein Ding.« Sogar Max konnte etwas allzu peinlich sein.
»Ich weiß genau, was du meinst. Menschen haben verschieden hohe Schmerzgrenzen«, sagte ich.
»Allerdings«, lachte er. »Ich habe wirklich nichts gegen einen guten Strip einzuwenden, aber das ist einfach armselig.«
Wenn das schon ein Max Vangunten fand …
Mit Nachschub ausgerüstet, trollte ich mich wieder zu den
Stimmungskanonen der Sparkasse.
Kaum war ich einige Minuten verschwunden gewesen, hatte Witta Leander in Beschlag genommen, unterhielt sich mit ihm angeregt, während sie ihm die aufrechten Nippel entgegenstreckte.
Leander schien von ihrem Auftritt nicht beeindruckt, er war sicher Schlimmeres gewohnt.
Er zog mich zur Seite. »Süße, können wir bald flüchten? Ich befürchte, die werden gleich mit Flaschendrehen anfangen. Der Tag morgen wird lang, und ich möchte doch, dass meine schöne Autorin ausgeschlafen ans Werk geht.«
Mich musste er nicht überreden. Am liebsten war ich mit ihm alleine, vor allem nachts.
Kaum zu glauben, wie schnell der Sommer verging. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie hart ich
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