Klatschmohn
persönlich vorgestellt wurde, weil der eigene Freund sie zum Freundeskreis zählte. Witzigerweise stellte mich Leander immer scherzend als seine Biografin vor, sodass es ein geflügeltes Wort wurde.
Auch wenn ich ansonsten nicht leicht zu beeindrucken war, so musste ich zugeben, dass es mir gefiel, in außergewöhnlichem Ambiente mit den feinsten Dingen verwöhnt zu werden. Nur manchmal fand ich es anstrengend, immer gut drauf zu sein und über salonfähige Themen zu plaudern. Leander hatte mir eingebaut, nie über Geld, Krankheit oder schlechtes Aussehen zu sprechen.
Ich durfte mich nicht beklagen, wollte ich doch diese Glitzerwelt erleben.
Man durfte nur nicht vergessen, wie surreal sie war.
Natürlich konnte ich auf einer Kinopremiere nicht erwarten, über den Weltfrieden zu diskutieren. Das war einfach nicht Leanders Job. Sein Job hieß, die Menschen zu unterhalten und zu zerstreuen. Meiner hieß, sein aufregendes Leben auf Papier zu bringen. Und das gelang mir bestens. Das leidige und schwierigste Kapitel Frauen hatte ich so schnell wie möglich hinter mich gebracht. So schnell, dass ich beim Schreiben kaum reflektieren konnte, welche Romanzen ich in Leanders Namen wieder aufleben ließ. Zum Glück hatte Leander keinen Wert darauf gelegt, Affären auszupacken oder Gerüchte, die es zweifelsohne gab, richtig zu stellen, womit mir eine Menge erspart blieb.
Stader war anfangs skeptisch gewesen, ob der Unterhaltungswert damit ausreichen würde; als Antwort hatte ich ihm das Kapitel über Leanders Modelfreundinnen samt Fotos gereicht, und Stader war beruhigt und glückselig von dannen gezogen. Die Fotos hatte ich immer noch nicht zurück!
Im Moment arbeitete ich am Kapitel über Leanders Freunde, etwas, worum mich Lilli, Katharina und Vera beneideten, denn zu Leanders Umfeld gehörten sehr interessante Männer.
»Pia, du denkst schon immer daran nachzuhaken, wer verheiratet, schwul oder frei ist, ja?«, erinnerte mich Katharina täglich. Und ich tat, wie mir geheißen wurde, natürlich stets diskret.
Viel mehr interessierte mich aber, was Leanders Freunde über ihn zu sagen hatten. Es war erstaunlich, wie unterschiedlich er wahrgenommen wurde. Manche hielten ihn für einen lebensfrohen Charmeur mit besten Manieren, andere wiederum kannten seine nachdenkliche Seite. Er ist eben facettenreich, dachte ich mir. Und ebenso war sein näherer Bekanntenkreis.
Schade fand ich es nur, dass es nicht möglich war, frühere Schulfreunde von Leander aufzutreiben. Alle seine Freundschaften waren ziemlich frisch, was wohl vor allem daran lag, dass es ihm sein turbulentes Leben schwierig machte, alte Beziehungen zu pflegen.
Auf meine Frage, ob er nicht an alten Freunden und Erinnerungen hänge, sah er mich erstaunt an.
»Eigentlich schon, aber man muss auch loslassen können. Alles hat seine Zeit. Ich sehe selten zurück. In der Vergangenheit zu leben oder Menschen nachzuhängen, die inzwischen nur noch zu einer lebenden Erinnerung geworden sind, ist nicht mein Ding. Außerdem, wie oft komme ich noch in meine Heimatstadt, seit meine Eltern tot sind?«
Vielleicht war ich eine zu rührselige Tante, dass ich Freundschaften so lange hoch hielt wie möglich. Ich bewunderte seine Fähigkeit, sich auf den Moment zu konzentrieren. Und so zitierte ich ihn in seinem Kapitel über Freunde.
Ich lebe im Hier und ]etzt. So habe ich es auch stets mit meinen Freundschaften gehalten. Alles hat seine Zeit, Menschen begegnen sich, gehen ein Stück gemeinsam, lernen voneinander und gehen weiter, wenn ihre Wege sich trennen. Ich habe noch nie etwas davon gehalten, Erinnerungen oder alten Zeiten hinterher zu trauern. Man verpasst das Heute und kann die Zeit doch nicht zurückholen. Man versperrt damit auch die Sicht auf neue Freundschaften, die das Leben bereichern können. Im Moment zähle ich zu meinem engen Freundeskreis einen Schauspieler, einen Sportler, einen erfolgreichen Investmentbanker und meinen Manager, der mich bereits seit einigen Jahren begleitet. Ich glaube, meine Freunde schätzen an mir meine Wandelbarkeit und meinen Esprit. Man sagt mir oft, ich sei ein glänzender Unterhalter, und so werde ich oft zu Banketten geladen.
Im Gegenzug schätze ich an meinen Freunden, dass sie mich ergänzen, mir neue Bereiche öffnen. Wir langweilen uns nie. Außerdem sind sie sehr unkonventionell und mit normalen Maßstäben nicht festzulegen.
Leander war geradezu aus dem Häuschen, nachdem ich ihm die Passage vorgetragen
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